Marode, aber voll besetzt

Unter den zehn Gefängnissen in Rheinland-Pfalz gibt es mehrere dringende Sanierungsfälle

  • Mario Cubrilo, dpa
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Gefängnisse in Rheinland-Pfalz sind mit ihren knapp 3500 Haftplätzen nahezu komplett ausgelastet. Zugleich sind bei mehreren JVA Renovierungen dringend nötig. Im Mainzer Justizministerium gehen jährlich Hunderte Beschwerden aus den Haftanstalten ein.

Mainz. Vergilbte Sichtblenden, schlechte Belüftung, verrostete Leitungen oder eine zu kleine Krankenstation: Der Sanierungsbedarf in einigen rheinland-pfälzischen Gefängnissen ist groß. Das ergab eine dpa-Umfrage. Derzeit gibt es in den zehn Justizvollzugsanstalten des Landes 3466 Haftplätze. Die Gefängnisse sind nahezu voll ausgelastet.

Seit 2007 wurden nach Angaben des Justizministeriums und des Landesbetriebes Liegenschafts- und Baubetreuung (LBB) allein in die Anstalten in Koblenz, Wöllstein und Frankenthal sowie in den Jugendarrest in Worms rund fünf Millionen Euro investiert. Bis Mitte 2013 entstehen zudem 64 neue Plätze im Neubau der Sicherungsverwahrung in Diez. Nach Einschätzung des Ministeriums sollte die Zahl der Haftplätze um etwa 20 Prozent aufgestockt werden - dies wären knapp 700 neue Gefangenenunterkünfte.

»Der Staat muss sparen«

In der Justizvollzugsanstalt (JVA) Koblenz, die in einer ehemaligen Kaserne unterbracht ist, sorgen bislang vor allem Sichtblenden an Fenstern von Hafträumen für Probleme. Da die JVA mitten in der Stadt liegt und an einer Seite zu einer Straße hin keine Außenmauern hat, sollen die Blenden Sichtkontakt verhindern. »Sie waren vergilbt, es kam zu wenig Licht in die Räume«, sagt Anstaltsleiter Josef Maldener. Zudem sei die Belüftung der Zellen schwierig gewesen. Die Blenden werden nun beseitigt, die Arbeiten beginnen in diesen Tagen.

»Die alten Blenden waren immer wieder Anlass für Klagen von Gefangenen - und die waren berechtigt«, sagt Maldener. Ersetzt werden sie durch verstellbare Lamellen, die mehr Licht und Luft hineinlassen. Zudem wird die Fassade des JVA-Gebäudes für den geschlossenen Vollzug neu gestrichen. An dem Gebäude des offenen Vollzuges laufen schon seit Monaten Fassadenarbeiten. »Da ist seit 30 Jahren nichts passiert, der Bedarf war da«, sagt Maldener.

Eigentümer der Anstalten ist der LBB, die Landesjustizverwaltung ist Mieter. Daher sei der LBB verpflichtet, die Liegenschaften zu unterhalten und zu sanieren, sagt Wahid Samimy, Sprecher des Justizministeriums. »Je nach Alter und Zustand der Gebäude sind das Daueraufgaben.«

Auch der Leiter des Gefängnisses in Frankenthal, Klaus Schipper, kennt die Probleme. In den vergangenen zwei Jahren seien in der Anstalt gleich drei Gebäude saniert worden. Bis Sommer soll auch die neue Krankenstation fertig sein. »Die alte Sanitätsstation war zu klein und hat den hygienischen Anforderungen nicht mehr entsprochen«, erklärt Schipper. »Der Zahnarztstuhl bleibt aber derselbe.« Seit fast 40 Jahren seien Gefangene bis zu acht Jahre in Frankenthal untergebracht, zur Zeit etwas mehr als 400. »Natürlich haben wir auch Wünsche für die Zukunft, aber der Staat muss sparen, und da wird die Realisierung schwer. Ich hätte gerne ein neues Besuchsgebäude, aber die Finanzlage lässt dass nicht zu«, sagt Schipper. Trotz Geldmangels hatte das Ministerium 2,6 Millionen Euro für Brandschutz und die Sanierung von drei Gebäuden abgesegnet, wie aus Daten des LBB hervorgeht. Fenster und Duschen für die Gefangenen sowie die Toiletten für die Wärter sollen demnächst erneuert werden.

Toilette ohne Trennwand

Rundum saniert wurde 2007 und 2008 der Jugendarrest in Worms. Nach Angaben des Ministeriums sind mehrere hunderttausend Euro geflossen. Erst vor zehn Jahren wurde die neue JVA Rohrbach in Wöllstein in Betrieb genommen. Der Sicherheitsstandard ist laut Ministerium auf hohem Niveau, es seien nur kleinere Nachbesserungen nötig. Das sei jedoch Alltag in Gefängnissen, hieß es aus dem Ministerium. Dort gehen jährlich mehr als 900 Beschwerdebriefe und Anträge von Häftlingen oder deren Angehörigen ein, wie ein Ministeriumssprecher mitteilt. Auf dem Tisch des Bürgerbeauftragten von Rheinland-Pfalz, Dieter Burgard, landeten allein 2012 rund 540 Gefangenenbeschwerden.

Probleme seien etwa Heizungsanlagen gewesen, die im Winter in Zweibrücken ausfielen, sagt Burgard. »In Diez waren es Beschwerden über Haftbedingungen in der Sicherungsverwahrung und das Essen.« Auch gäbe es nur für die Hälfte aller Gefangenen in Rheinland-Pfalz Arbeitsplätze. Das schaffe natürlich Spannungen, vor allem, weil viele der Häftlinge Schulden hätten. In Frankenthal müssten sich Häftlinge eine Toilette im Zimmer teilen - ohne Trennwand.

Doch es gibt auch positive Beispiele. So wurden laut Burgard rund 70 Millionen Euro in ein Gefängniskrankenhaus in Wittlich investiert: »Jetzt ist es möglich, auch psychisch auffällige Häftlinge unterzubringen.«

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal