Die Demeter-Guerilla

Demonstration für die Agrarwende war auch eine Produktmesse

  • Velten Schäfer
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach Veranstalterangaben haben am Samstag in Berlin 25 000 Menschen für eine sozial-ökologisch ausgerichtete Agrarwirtschaft demonstriert. Vor allem die Grünen hatten ihr Vorfeld offenbar erfolgreich mobilisiert.

Als der Protestzug am Haus der Bundespressekonferenz in die Reinhardtstraße einbiegt, kommt erstmals richtig Stimmung auf. Gleich ist die FDP-Zentrale erreicht, vor der die NaturFreunde mit einem hämischen Plakat (»Fast Drei Prozent«) warten. Auf der leicht abschüssigen Straße bietet die nach Veranstalterangaben 25 000 Köpfe zählende Masse ein beeindruckendes Bild. Einige junge Leute im Kapuzenlook haben eine der Baustellen-Fußweg-Überbauungen am Rand erklommen. Emphatisch schwenken sie ihre Fahnen, und die Demons-tranten winken zurück. Auch ein Team von Castor e.V, das die Proteste live ins Internet überträgt, lässt sich das Bild nicht entgehen. Was die Fernseh-Aktivisten versenden, ist nicht nur Protest, sondern auch Werbung: »Demeter« steht auf den Fahnen im charakteristischen Weiß-auf-Ocker-Schriftzug. Demeter ist nicht nur ein Verband von Agrar-Unternehmern und Nahrungsproduzenten mit anthroposophischen Wurzeln, der sich für biodynamische Landwirtschaft einsetzt, sondern vor allem auch eine Marke – nach Eigendarstellung eine der größten für »organische« Produkte.

Die »Demeter-Guarilla« ist nicht allein. Mehrere Reihen Unterstützer von Bioland, dem nach eigenen Angaben führenden deutschen Bio-Herstellerverband mit etwa 5700 Vertragsbetrieben, fallen im Protestzug auf. Dutzende Traktoren aus dem gesamten Bundesgebiet, ein Block Imker mit Räucherkännchen, Milchbauern vom Bund Deutscher Milchviehhalter und diverse Ökostromanbieter, die über ihre Angebote informieren: Die Agrarwende ist nicht nur eine Bewegung, sondern auch eine Branche, die den Protest als Messe zelebriert.

Hubert Weiger, der Vorsitzende des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), freut sich darüber. Entgegen aller Weissagungen sei es über die Jahre gelungen, ein Bündnis aus konventionell wirtschaftenden Bauern, Umweltverbänden und Dritte-Welt-Initiativen zu schmieden, sagt er auf der Rednerbühne. Die deutsche Agrarpolitik inszeniere sich gern als Vorreiter und sei tatsächlich die letzte Zuflucht für anderswo undenkbare Großvorhaben. Hart teilt Weiger gegen den Bauernverband aus: Er habe es satt, dass dieser »das Wort Bauer in den Mund nimmt«. Bei der Neuverteilung der rund 300 Milliarden Euro an EU-Agrarbeihilfen in der nächsten Förderperiode müsse Deutschland, statt zu bremsen, auf eine Bindung der Zahlungen an ökologische und soziale Kriterien drängen.
Parteipolitisch dominiert ein Grünen-Block um Renate Künast und die Bundes-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt. Über Monate hatte die Partei mobilisiert, abgerundet wurde der Protesttag von einem grünen Vernetzungstreffen und einer Konferenz im Deutschen Theater.

Die Linkspartei tat sich schwerer mit den Protesten. Zwar entsprechen viele Demo-Forderungen Vorstellungen, die es auch in der LINKEN gibt, etwa die Flächenbindung der Tierhaltung. Dennoch zeigt die Partei nur sehr verhalten Präsenz. Nachdem die LINKE 2011 die erste Demonstration noch massiv unterstützt hatte, beteiligte sie sich 2012 nach interner Kritik kaum. Diesmal, so die Bundestagsabgeordnete Kirsten Tackmann, sei der Aufruf politischer und finde ihre Unterstützung. Sie berichtet aber auch von einem Treffen mit Jungbauern, auf dem sie kürzlich ihre Positionen ausführlich habe verteidigen müssen.

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