Keine Fehler gemacht

Die Parteiführung der LINKEN sieht nur »objektive Gründe« für die Wahlniederlage

  • Uwe Kalbe
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Linkspartei sucht nach einem Ausweg aus der Misere, die ihr die Wahl in Niedersachsen am Sonntag beschert hat. Analogien zur Bundestagswahl im September will man gar nicht erst aufkommen lassen.
Die Köpfe zusammen und nicht in den Sand ...
Die Köpfe zusammen und nicht in den Sand ...

Noch Montagmittag konnte man auf der Website der niedersächsischen Linkspartei lesen: »DIE LINKE liegt in Niedersachsen bei sechs Prozent.« Kein Wort zum Wahlergebnis, das ihr 3,1 Prozent und das Ausscheiden aus dem Landtag bescherte. Auch die Website der Bundespartei tat sich schwer, die bittere Realität zur Kenntnis zu nehmen: »Volle Kraft für einen Politikwechsel im September!«

Katja Kipping, die Vorsitzende, sieht auf der Pressekonferenz am Montag in Berlin keine wirklichen Fehler, die die Partei gemacht hat. Und die Spitzenkandidatin Ursula Weisser-Roelle schwärmt geradezu von ihrem »tollen Wahlkampf mit vielen engagierten Menschen«. Es gebe »keine Untergangsstimmung, wir haben einen langen Atem«, sagt sie trotzig.

Kipping spricht lieber von objektiven Problemen, denen die LINKE ihr Wahlergebnis verdankt. Führt aber ein subjektives an: Die Umfrageinstitute haben der Partei unbeirrt drei Prozent Zustimmung prophezeit. Eine sich »selbst erfüllende Prophezeiung« nennt das Sahra Wagenknecht (Interview rechts). Doch die LINKE hat an alle Parteien verloren, am meisten an die Nichtwähler. Das heißt, eine Stammklientel über die gewonnenen drei Prozent hinaus fehlt der LINKEN offenbar.

Kipping spricht auch vom steinigen Weg des Westaufbaus, gemeinsam mit ihrem Kovorsitzenden Bernd Riexinger lobt sie den Einsatz Wagenknechts, die sich in den letzten zwei Wochen vehement in den Wahlkampf in Niedersachsen eingeschaltet hatte. Kipping: Man wolle nun die Köpfe zusammenstecken, »nicht in den Sand«. Eine Niederlage für Wagenknecht? Nein, sagt diese. Eine Niederlage für Kipping und Riexinger? Nein, sagen diese. Und vielleicht ist es ja so. Eine persönliche Niederlage würde dann messbar, wenn der Kurs der Vorsitzenden ins Stocken geriete, wenn die internen Auseinandersetzungen wieder aufflammen würden, die die Partei bis zum letzten Jahr kurz vor den Abgrund treiben ließen.

Als Spätfolge des Vertrauensverlustes, den die LINKE im monatelangen Gerangel um die vorige Parteispitze erlitt, bewertet denn auch Bundesgeschäftsführer Matthias Höhn das Ergebnis. »Das Vertrauen zurückzugewinnen dauert lange«, sagte er in einer Fernsehrunde am Sonntagabend. Erst mit der Wahl der neuen Führung auf dem Parteitag im Juni 2012 in Göttingen war die verhängnisvolle Entwicklung gestoppt worden. Seither sind die Streitereien verstummt, wenngleich die Gräben nicht verschüttet sind. Das lässt sich auch an dem achtköpfigen Spitzenpersonal für die Bundestagswahl ablesen, das es allen Recht machen will: Generationen, Geschlechtern und Flügeln. Ob die Landesverbände sich dem Votum des Vorstands für die acht Kandidaten anschließen, ist dabei offen. Denn nur sie entscheiden über die Nominierungen zum Bundestag.

Das Wahlergebnis vom Wochenende wirft einen Schatten auf die Bundestagswahl am 22. September. Fraktionschef Gregor Gysi besteht auf einem gewichtigen Unterschied: SPD und Grüne seien weit entfernt davon, sich auf einen Politikwechsel berufen zu können, ohne die Linkspartei in ihre Rechnung aufzunehmen. Und so bleibt Bernd Riexinger dabei, dass man am eigenen Kurs nichts zu ändern brauche. Der lautet: Die eigenen Themen vertreten, aber sich einem Politikwechsel nicht verweigern.

Einen Zipfel Hoffnung immerhin erkennt der brandenburgische Finanzminister Helmuth Markov im niedersächsischen Wahlergebnis jetzt schon. Als Teil der rot-roten Landesregierung sieht er neue Gestaltungsmöglichkeiten über den Bundesrat. »Jetzt gibt es keinen Grund mehr, die auf Eis liegenden Gesetzesvorhaben nicht auf den Weg zu bringen«, so Markov. Als Beispiele nennt er: die Erhöhung des Spitzensteuersatzes, eine Umwandlung des Ehegattensplittings, eine Reform der Erbschaftssteuer und einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn.


Am Sonntag schaffte die Linkspartei den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde nur noch in fünf der 87 niedersächsischen Wahlkreise:
Hannover-Linden 6,8
Oldenburg-Mitte/Süd 6,5
Elbe (Lüchow-Dannenberg) 5,9
Göttingen-Stadt 5,7
Oldenburg-Nord/West 5,1

Vor fünf Jahren blieb die Linkspartei nur in sieben Wahlkreisen überhaupt unter fünf Prozent. Die größten Verluste bei der Wahl an diesem Sonntag erfuhr die Linkspartei in:
Wilhelmshaven -6,6
Hannover-Linden -6,5
Delmenhorst -6,3
Cuxhaven -6,2
Hannover-Mitte -5,6

Alle Wahlkreisergebnisse der Linkspartei finden Sie hier

Alle Ergebnisse der Wahlen beim Landeswahlleiter


Ursula Weisser-Roelle, Spitzenkandidatin der LINKEN in Niedersachsen, am Wahlabend bei Phoenix: »Wir werden gestärkt in den Bundestagswahlkampf gehen, und der wird heute beginnen.« LINKEN-Vorsitzender Bernd Riexinger dort am Tag nach der Wahl: »Wir bewegen uns nach wie vor in einem positiven bundesweiten Trend.« Auch Willy Brandt hatte in seinen 1989 erschienenen »Erinnerungen« geschrieben: »Niederlagen stählen.« Er ließ jedoch einen Nachsatz folgen: »Aber eben nur, wenn es nicht zu viele werden«. jrs

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