Ein seltener Fall von Ehrlichkeit

In Bielefeld hat ein Krankenhausarzt einen schweren Fehler offen zugegeben

  • Eckart Roloff
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn Klinikärzte Fehler machen, wird oft abgewimmelt. Will der Patient Genaueres wissen, beginnen Prozesse und Gutachterkriege, die sich über Instanzen und Jahre hinziehen können. Das kostet Geld, Zeit und Nerven.

Das Bielefelder Franziskus-Hospital hat jetzt offen eingeräumt, dass ihm ein schweres Versehen unterlief. Dabei geht es um eine 27-jährige Frau, die kurz vor Weihnachten mit unklaren Symptomen eingeliefert worden war. Sie wurde gründlich untersucht. Man kontrollierte auch die Lungen, nahm viele Blutproben. Keine Befunde, keine Auffälligkeiten. Also entließ man die Patientin. Tatsächlich aber, so zeigte bald ein Bakterientest, hat sie eine offene Tuberkulose.

Die Patientin wird jetzt in einer Klinik für Lungen- und Atemwegsleiden in Bad Lippspringe behandelt. Parallel dazu müssen sich einige hundert Menschen im Nordosten Nordrhein-Westfalens, die in letzter Zeit mit ihr Kontakt hatten, untersuchen lassen. Einige könnten sich angesteckt haben und ebenfalls an Tbc erkranken. Allerdings ist die Krankheit, wird sie früh erkannt, gut zu beherrschen.

Was da passierte, hat das Franziskus-Hospital nicht nur gegenüber der Frau eingeräumt. Thorsten Franz, der behandelnde Oberarzt, ging damit vor die Presse. Er erläuterte den Hergang, drückte ehrlich sein Bedauern aus und bat die Patientin um Entschuldigung. So berichtete auch das Fernsehen des Westdeutschen Rundfunks von der Angelegenheit, mit dem Arzt im Interview vor laufender Kamera. Ein ungewöhnlicher Vorfall.

Zudem teilte die Klinik mit, dass es ihres Erachtens »sehr kompliziert war, diese Tuberkulose zu entdecken. Zahlreiche Tests hatten negative Ergebnisse zutage gefördert«. Und da Weihnachten kurz bevorstand, fand man, dass es für die junge Mutter unverhältnismäßig sei, sie weiter im Krankenhaus und fern der Familie zu halten. »Dass sich dann etwas anderes herausstellte«, so Geschäftsführer Georg Rüter, »ist natürlich mehr als bedrückend.« Nach den ersten Untersuchungen erschien eine Tbc unwahrscheinlich. Doch genau die war eingetreten. Auf ein Restrisiko und Vorsicht bei Kontakten mit anderen Menschen war die Frau nicht hingewiesen worden. Immerhin wurde das Bielefelder Gesundheitsamt informiert. Wer den Geschäftsführer zu dem Vorgang befragt, erhält diese Antwort: »Als traditionsreiches christliches Krankenhaus, das sich ganz besonders auf Qualitätsverbesserung und damit auch auf Transparenz konzentrieren möchte, müssen wir eigene Fehler klar kommunizieren.« Er fügt hinzu: »Dass dies von der Öffentlichkeit auch positiv wahrgenommen wird, erfüllt uns schon mit Dankbarkeit.«

Vor dem Hamburger Landgericht hat eine Narkoseärztin kürzlich einen ebenfalls schweren Fehler eingestanden; er führte zum Tod der Schauspielerin Carolin Wosnitza. Solche Bekenntnisse verdienen Lob. Sie deuten klar auf einen sonst oft vagen Begriff: auf Fehlerkultur. Hoffentlich ist dergleichen ansteckend.

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