Unfairer Finanzausgleich?

Fragwürdig

  • Lesedauer: 3 Min.

nd: Gestern brachten die Geberländer Hessen und Bayern gemeinsam eine Verfassungsklage zum Länderfinanzausgleich auf den Weg. Das sei Wahlkampfgetöse, behaupteten Kritiker, weil in beiden Ländern bald Wahlen anstehen. Aber ist ihr Aufbegehren nicht gerecht? Denn tatsächlich müssen beide Länder immer mehr zahlen.
Markov: Die Länder haben nicht Recht. Das Grundgesetz schreibt vor, dass alle Bürger einen Anspruch auf gleichwertige Lebensbedingungen haben. Und der Länderfinanzausgleich, das schreibt auch das Grundgesetz vor, ist eine Stufe im gesamten Finanzausgleich, der sich ausschließlich nach den Steuereinnahmen der Länder richtet und die Finanzkraft der Länder bemisst.

Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) befürchtet, dass beim Länderfinanzausgleich am Ende die Geberländer weniger als die Nehmerländer hätten. Ist dem nicht so?
Nein. Es geht ausschließlich um die Steuereinnahmen. Und die Steuereinnahmen der Geberländer sind höher als die Steuereinnahmen der Nehmerländer. Nach dem Länderfinanzausgleich 2010 hatten die Geberländer im Durchschnitt immer noch 231 Euro pro Einwohner mehr als die Nehmerländer. Der Länderfinanzausgleich führt nicht dazu, dass die Geberländer weniger Euro pro Einwohner haben. Aber er minimiert die finanziellen Differenzen zwischen den Ländern. Eine Ungleichheit zwischen den Ländern kann viele Gründe haben. Zum Beispiel sind viele Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg von Berlin nach Bayern gegangen; deren Wertschöpfung ist jetzt in Bayern, nicht mehr in Berlin. Der Finanzausgleich dient dazu, die unterschiedlichen Steuereinnahmen auszugleichen. Das ist gerecht.

Der grüne Ministerpräsident in Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann, bemängelt, dass durch den Länderfinanzausgleich keine Anreize geschaffen würden, die Ungleichheit zwischen Geber- und Nehmerländern zu stoppen.
Die Wahrheit ist, es gibt die Anreize längst. Die 2005 in Kraft getretene Regelung enthält eine Art Prämiensystem sowie höhere Selbstbehalte. Mit der damaligen Neuregelung des Finanzausgleichs und der Verabschiedung des Solidarpaktes wurde ab 2005 zudem ein »Deckel« für die durchschnittliche Abschöpfung der Finanzkraft der Geberländer in Höhe von 72,5 Prozent eingeführt. Dieser schützt die Geberländer vor übermäßiger Belastung. Diese erhöhten Anreize wirken vor allem zugunsten der Geberländer. Bei einer Million Zuwachs an Einkommensteueraufkommen in einem Land gehen 42,5 Prozent an den Bund. Von dem Rest bleiben den Geberländern jeweils zwischen 46 und 59 Prozent, bei den Empfängerländern verbleiben zwischen 20 und 27 Prozent im jeweiligen Land.

Sehen Sie Verhandlungsbedarf beim Länderfinanzausgleich?
Der Länderfinanzausgleich wird bis 2019 sowieso neu verhandelt, weil dann die aktuelle Regelung und der Solidarpakt II auslaufen. Deswegen bedarf es dieser absurden Klage von Bayern und Hessen jetzt nicht. Das Bundesverfassungsgericht hat das derzeitige Ausgleichssystem ohnehin vorgegeben, und dem haben alle Länder zugestimmt, auch Bayern. Also sollte man den jetzigen Finanzausgleich bis zu seinem vorgesehenen Ende laufen lassen. Bei rechtzeitigen Verhandlungen kann man sehen, wie es ab 2019 weitergehen soll.

Fragen: Stefan Otto

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