Ende der Bescheidenheit

Dierk Hirschel fordert einen härteren Arbeitskampf

  • Lesedauer: 3 Min.

Es droht ein unangenehmer Winter: In den nächsten Wochen bleibt der Schnee auf den Straßen liegen. Flugzeuge werden nicht starten, Schüler nicht unterrichtet. Straßenwärter, Feuerwehrleute und Lehrer wollen die Arbeit niederlegen, um ein größeres Stück vom Kuchen zu bekommen.

Ver.di, GEW, GdP und Beamtenbund streiten für 6,5 Prozent mehr Lohn. Zusätzliche fünf Milliarden Euro sollen auf die Konten von zwei Millionen Landesangestellten und Beamten fließen. Doch die Kassenwarte wollen nicht zahlen. Schließlich kann man einem nackten Mann nicht in die Tasche greifen. Steigende Personalkosten zwängen die klammen Länder angeblich nur dazu, weiteres Personal zu entlassen und öffentliches Eigentum zu verscherbeln.

Tatsächlich sind die öffentlichen Finanzen, trotz sprudelnder Steuereinnahmen, in schlechtem Zustand. 2012 schrieben neun der 16 Bundesländer rote Zahlen. Die gesamte Länderfamilie sitzt auf einem Schuldenberg von über 600 Milliarden Euro. Darüber hinaus untersagt die Schuldenbremse Bremen, Saarland, NRW und ihren Nachbarn ein Leben auf Pump. Ab 2020 gilt ein Neuverschuldungsverbot.

Die Finanznot der Länder ist aber kein Naturereignis. Die öffentliche Armut ist politisch gemacht. Eine schamlose Reichtumspflege und die Finanzmarktkrise ließen die Staatsschulden geradezu explodieren. Große Steuergeschenke für Spitzenverdiener, Unternehmer und reiche Erben bescheren den öffentlichen Haushalten jährliche Einnahmeverluste von über 50 Milliarden Euro. Die Hälfte dieser Ausfälle geht zu Lasten der Länderhaushalte. Doch damit nicht genug: Nach der großen Krise hinterließen die Frankfurter und Münchner Glaspaläste den Steuerzahlern eine Zeche von rund 400 Milliarden Euro.

Die Schuldenfrage ist somit eine Verteilungsfrage. Die Alternative zu Ausgabenkürzungen sind mehr Einnahmen. Höhere Löhne für Krankenschwestern, Feuerwehrleute und Lehrer sind auch in Zeiten hoher Schuldenberge bezahlbar, wenn hohe Einkommen und Vermögen stärker besteuert werden. Ganz zu schweigen davon, dass die Verursacher der Krise bis heute nicht zur Kasse gebeten wurden. Allein die Wiedereinführung der Vermögenssteuer könnte, wenn sie entsprechend ausgestaltet wird, bis zu 25 Milliarden Euro in die Landeskassen spülen.

Den Länderfinanzministern sind dabei nicht die Hände gebunden. Natürlich wird die Merkel-Regierung vor der Wahl keine Steuern erhöhen. Bullerjahn, Walter-Borjans, Nussbaum und Kollegen können aber Schwarz-Gelb im Bundesrat unter Druck setzen. Mit steuerpolitischen Gesetzesinitiativen können sie Merkel und Schäuble vor sich her treiben. So stiegen auch die Chancen auf einen Macht- und Politikwechsel sowie solide öffentliche Finanzen.

Die Tarifrunde im öffentlichen Dienst ist nur der Auftakt. Ver.di, IG Metall, IG BAU & Co verhandeln 2013 über die Löhne und Gehälter von 12,5 Millionen Beschäftigten - das ist jeder dritte Beschäftigte. Die Lohnforderungen liegen zwischen fünf und sieben Prozent. Das ist gut so. Denn der verteilungsneutrale Spielraum - Produktivitäts- plus Preisanstieg - beträgt dieses Jahr 3,5 Prozent. Nur wenn die Löhne branchenübergreifend diese Hürde überspringen, werden Beschäftigte am wirtschaftlichen Zuwachs beteiligt. Ein noch stärkerer Lohnzuwachs würde sogar die Umverteilung der Vergangenheit ein Stück zurückführen. 2013 soll die vor zwei Jahren eingeleitete Trendwende bei den Löhnen fortsetzen. Das ist sozial gerecht und wirtschaftlich vernünftig. Dafür darf der Winter auch etwas ungemütlicher werden.

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