Freiheit für Daten

Protest gegen das „Datenportal für Deutschland» der Bundesregierung«

  • Uwe Sievers
  • Lesedauer: 4 Min.
Das Innenministerium ging gestern abend mit einem umstrittenen Portal an den Start und schwächt seine Open-Data-Strategie ab. Proteste aus dem Netz blieben nicht aus. Die Linke stellt nun eine umfangreiche Anfrage.

Wäre die Situation um den Berliner Flughafen BER genauso eskaliert, wenn alle Daten öffentlich verfügbar gewesen wären? Vertreter der Open-Data-Szene halten das für unwahrscheinlich. Sie fordern einen Zugang zu den mit Steuermitteln finanzierten Datenbeständen der öffentlichen Verwaltungen. Auch die Bundesregierung hat diesen Trend erkannt: »Verwaltung braucht Vernetzung und Transparenz«, heißt es auf der Website zum Projekt »Open-Government«. Im Rahmen des IT-Gipfels 2010 wurde eine »«Dresdner Vereinbarung» beschlossen, in der der Aufbau einer «zentral zugänglichen, den Interessen der Nutzer an einem leichten Zugriff gerecht werdenden Open-Data-Plattform» bis 2013 festgelegt wurde.«

Im Sommer 2012 legte das mit der technischen Umsetzung beauftragte Fraunhofer-Institut für offene Kommunikationssysteme eine Studie vor und entwickelte einen Prototyp des Internet-Portals. Dazu wurden zwei »Community-Workshops« mit Vertretern von Open-Data-Organisationen veranstaltet. Nach dem zweiten Workshop Anfang dieses Monats kam es zum Eklat. Mit Open Data habe das Projekt nichts mehr zu tun, bemängelten Kritiker. Es lasse die Offenheit vermissen. Das Bundesinnenministerium (BMI) hatte kurzfristig entschieden, das »open« wegzulassen und das Portal in »«govdata.de» umzubenennen. Die Namensänderung spiegele die Haltung der Bundesregierung wider, kritisierten Open-Data-Verfechter, da diese kein wirkliches Interesse an Offenheit habe.«

Ein weiterer Streitpunkt sind die Lizenzmodelle. Statt auf bewährte Creative Commons (CC) Lizenzen zurückzugreifen, wurden unter dem Titel »Datenlizenz Deutschland« eigene Varianten entwickelt. Diese würden vor allem Rechtsunsicherheit schaffen, da die Daten nur eingeschränkt weiterverwendet werden dürften, lautete die Kritik. Zudem bleibe es Behörden und Verwaltungen überlassen, ob und welches Datenmaterial sie öffentlich zur Verfügung stellen. Führende Vertreter aus dem Open-Data-Bereich, darunter die Open Knowledge Foundation, das Open Data Network, und die Betreiber der Wikipedia, Wikimedia, haben daher umgehend die Protestseite »«not-your-govdata.de» ins Leben gerufen.«

Ina Schieferdecker, die technische Projektleiterin beim Fraunhofer-Institut, zeigte sich überrascht von der heftigen Diskussion. Diese fände zu einem unpassenden Zeitpunkt statt, da das Projekt in einer Pilotphase sei, sagte sie dem »nd«. Die ein- bis zweijährige Phase diene dazu, Erfahrungen zu sammeln. Es sei wichtig, überhaupt erst mal zu starten. Schieferdecker betonte das wirtschaftliche Potenzial, das im freien Zugang zu Datenbeständen stecke, und wies auf weitere geplante Gespräche mit der »Community« hin.

Währenddessen rief die Bundestagsabgeordnete Petra Sitte (LINKE) über Twitter die »Open Data Community« auf, Fragen für eine Kleine Anfrage an die Bundesregierung zu sammeln. Mehr als 30 Fragen kamen zusammen. »Insbesondere wollen wir wissen, warum die Bundesregierung nicht offenere und vor allem gebräuchliche Lizenzen benutzen will«, teilte Sitte dem »nd« mit.

»Das Portal startet mit 1050 Datensätzen, davon sind über 1000 frei nutzbar«, teilte BMI-Sprecher Philipp Spauschus »nd« mit. Zudem habe der Bund nicht die rechtliche Möglichkeit, Kommunen und Ländern einheitliche Lizenzbedingungen vorzugeben.

Open-Data-Aktivist Lorenz Matzat erklärte dem »nd«, »Institutionen wie Behörden sträuben sich gegen Open Data, weil ihnen aus ihrer Sicht ein Funktionsverlust droht«. Es werde nichts anderes übrig bleiben, als »Daten weiter auf eigene Faust zu befreien«, schrieb er im Online-Magazin Carta. »Statt über Open Government nur zu reden, öffnen wir das Regierungswesen Stück für Stück. Von außen.«

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Open Data

Datenbestände, die mit Steuermitteln erhoben wurden und im Interesse der Allgemeinheit frei zugänglich und nutzbar sein sollten. Private Daten gehören nicht dazu, der Datenschutz bleibt gewahrt. Im Kern handelt es sich um Verwaltungsdaten von Regierung, Land oder Kommune bzw. öffentlicher Verwaltung. Open Government umfasst zusätzlich den Einblick und die Beteiligung an Verwaltungs- und Regierungsprozessen über Online-Verfahren, »wie die elektronische Abwicklung von Verwaltungsangelegenheiten über das Internet« (IT-Planungsrat der Regierung). Ziel ist mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung durch eine Öffnung von Politik und Verwaltung gegenüber Bürgern und Wirtschaft

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