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Die Talente gehen, die Krise bleibt

Ein halbes Jahr nach der Europameisterschaft: Der krisengeschüttelte polnische Fußball hoffte vergebens auf die Wende

  • Thomas Dudek, Warschau
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Wochenende begann in der Ekstraklasa die Rückrunde. Ein halbes Jahr nach der Fußball-EM steckt der polnische Fußball tief in der Krise.

Über Jahre war Polonia Warschau ein beliebter Arbeitsplatz bei polnischen Fußballprofis. Der Klubbesitzer Jozef Wojciechowski galt zwar als launisch, doch gleichzeitig auch als spendabel. Um sich seinen Traum von der Meisterschaft zu erfüllen, stattete der Bau-Millionär die Spieler mit für polnische Verhältnisse fürstlichen Verträgen aus. Und er zahlte die Gehälter auch noch pünktlich. Im polnischen Fußball nicht ganz selbstverständlich.

Seit dem Sommer sind die schönen Zeiten im altehrwürdigen Stadion an der Konwitorska 6 jedoch vorbei. Enttäuscht über den ausbleibenden Titeltriumph zog sich Wojciechowski aus dem Fußball zurück. Seitdem geht es mit dem Traditionsverein nur noch bergab. Dass am Freitag, zum Auftakt der Rückrunde in der Ekstraklasa, Polonia überhaupt eine Mannschaft aufstellen konnte, die Lechia Gdańsk immerhin ein 1:1 abtrotze, grenzt an ein kleines Wunder. Bis auf Pawel Wszolek haben in der Winterpause alle Leistungsträger den Verein verlassen. Der neue Besitzer Ireneusz Krol, der Großes versprach, kann seit Monaten die Gehälter nicht mehr bezahlen. Die Rückstände sind mittlerweile so groß, dass Polonia für die nächste Saison der Lizenzentzug droht.

Ein halbes Jahr nach der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine ist die Situation bei Polonia Warschau stellvertretend für den gesamten Fußball im Land. Zwar sieht die Lage nicht überall so dramatisch aus wie beim kleinen Hauptstadtklub. Doch mit leeren Kassen haben die meisten Vereine zu kämpfen. Dabei sollte mit der EM die große Wende kommen. Die neuen Arenen, die nicht nur in den Austragungsstädten Warschau, Wrocław, Poznań und Gdańsk entstanden, sollten neue Zuschauer ins Stadion locken. Der polnische Fußball sollte neue Sponsoren für sich gewinnen und gleichzeitig für gute Spieler aus dem Ausland interessant werden. Das Turnier sollte zeigen, dass man auch in Polen gut leben kann.

Realität ist jedoch das Gegenteil. Allein in der letzten Transferperiode haben mit Arkadiusz Milik, der nach Leverkusen wechselte, und Rafal Wolski, der von Legia Warschau nach Florenz ging, die zwei größten Talente das Land verlassen. Mit nicht mal 20 Jahren. Im Fall von Milik war der Transfer für seinen Verein Gornik Zabrze die einzige Möglichkeit, auch die Rückrunde ohne schwere finanzielle Probleme durchzustehen.

Wer sich in den letzten Jahren intensiv mit dem polnischen Fußball befasst hat, dem war klar, dass die EM nicht die erhoffte Wende bringen kann. Zu gravierend sind die Fehler, die in den letzten 20 Jahren gemacht wurden. Die Nachwuchsarbeit wurde vernachlässigt, die Vereine gelangten an Besitzer ohne jegliches sportliches Sachverständnis.

Dass diese Fehler nicht mit einem Turnier weggewischt werden können, zeigt sich in Poznań. Keine andere polnische Stadt ist so fußballverrückt. Eine Begeisterung, die fast religiöse Züge hat. Wiara - Glauben, heißt der größte Fanclub des hiesigen Lech Poznań. Doch Profit kann der Verein, der immerhin zu den besten des Landes gehört, daraus nicht schlagen. Seit einem Jahr spielt Lech ohne Trikotsponsor. Und nicht mal das 40 000 Zuschauer fassende EM-Stadion bringt Glück. Da der Verein das Stadion nur zur Hälfte füllen kann, hat Lech bei der Stadt mittlerweile Mietrückstände von mehreren Monaten angesammelt. Die Stromrechnung hat die Kommune schon übernommen, damit der Verein seine Spiele nicht im Dunkeln austragen muss.

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