Ich bin jetzt der Typ aus dem Fernsehen

Freiburgs Trainer Christian Streich mag seine neue Popularität und hat doch Probleme damit

nd: Herr Streich, fällt es nach dem Halbfinaleinzug im DFB-Pokal von Dienstag schwer, jetzt auf den Bundesliga-Alltag umzuschalten? Auch körperlich war das ja nicht ohne ...
Streich: Wir haben am Mittwoch nur regeneriert, Donnerstag hatten die Spieler frei, und am Freitag sah es im Training schon wieder ganz ordentlich aus. Aber klar, 120 Minuten gehen nicht spurlos an einer Mannschaft vorbei.

Der Halbfinalgegner des SC wird am Sonntag ausgelost. Welcher ist bei Ihnen am beliebtesten?
Welcher der Unbeliebteste ist, können Sie sich sicher vorstellen. Aber natürlich fahren wir auch nach München, viele andere würden uns ja beneiden.

Sie und Ihr Verein stehen seit Wochen stark im medialen Fokus. Nervt Sie der Fluch der guten Tat?
Manchmal ist es anstrengend, wenn man manche Sachen schon 250 Mal gesagt hat und beim 251. Mal trotzdem noch höflich antworten will. Andererseits bin ich natürlich wahnsinnig gerne Fußballtrainer - und kein Wissenschaftler, der im stillen Kämmerlein vor sich hinarbeitet. Das hat sicher auch mit meiner Extrovertiertheit, mit mir als Person zu tun. Ich fühle mich auch geschmeichelt, wenn ich Lob kriege, und muss wahnsinnig aufpassen, dass ich nicht fehlgeleitet werde.

Leidet auch die Privatsphäre?
Wenn wir irgendwo etwas essen gehen, hat man den Eindruck, dass die Leute darauf achten, ob man nun ein Schnitzel oder etwas Vegetarisches bestellt. Und vielen merkt man an, dass sie denken: Das ist der Typ, den ich aus dem Fernsehen kenne. Die meisten Leute sind ja schon seriös, nur mir fällt es schwer, mit dieser Popularität umzugehen. Ich schaue mich manchmal im Raum um - aus Angst, ich könnte jemanden übersehen, der danach denkt: Jetzt ist er aber arrogant geworden.

Im Vorverkauf für das heutige Ligaspiel in Nürnberg wurden 500 Karten für den Gästeblock abgesetzt. Was muss eigentlich noch passieren, damit in der Freiburger Fanszene mal so etwas wie Begeisterung ausbricht?
Wir sind nun mal kein Verein, bei dem 3000 Leute mit nach Nürnberg fahren. 2000 waren ja auch am Dienstag in Mainz, und nicht jeder hat das Geld für zwei Auswärtsfahrten in einer Woche. Aber ich finde, wir haben eine schöne Begeisterung in der Stadt.

Woran machen Sie das fest?
Bekannte haben mir erzählt, dass sie am Dienstag schon früh los sind, um einen Platz in einer der Kneipen zu ergattern, in denen das Spiel übertragen wurde. Die haben damit gerechnet, dass sie um sieben Uhr keinen Platz mehr kriegen. Womit sie nicht gerechnet hatten, war, dass sie schon um zwanzig nach sechs keinen mehr gekriegt haben.

Aufgezeichnet: Christoph Ruf

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