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Verdacht auf Luftschlösser in Bilanzen

Staatsanwaltschaft lässt Büros des Windparkentwicklers Windreich durchsuchen

  • Ulrich Glauber
  • Lesedauer: 3 Min.
Die Staatsanwaltschaft hat die Firma Windreich wegen des Verdachts auf Bilanzmanipulation durchsuchen lassen. Der größte deutsche Projektentwickler von Windparks hat offenbar schon länger Finanzierungsprobleme.

Verdacht der Bilanzmanipulation, des Kapitalanlagebetrugs, der Marktpreismanipulation und des Kreditbetrugs - die Liste der Vorwürfe gegen die Firma Windreich ist lang. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart hat offenbar genug Anhaltspunkte, um bereits am Dienstag die Büros in Wolfschlugen bei Stuttgart und vier Privatwohnungen durchsuchen zu lassen. 35 Ermittler sollen dabei fast 1200 Ordner und große Mengen digitaler Daten sichergestellt haben, wurde am Mittwoch bekannt. Die Auswertung werde »einen erheblichen Zeitraum in Anspruch nehmen«, so die Staatsanwaltschaft.

Die Beschuldigten sollen die Jahres- und Konzernabschlüsse wie auch Berichte zur Konzernlage durch Überbewertung von Vermögensteilen geschönt haben. Sie wiesen demnach in den Jahren 2010 und 2011 Bilanzposten in Millionenhöhe aus, denen entweder keine effektiven Geschäfte zugrunde lagen oder aber Geschäfte mit deutlich niedrigerem Gegenwert. Auch seien Forderungen aufgenommen worden, bei denen mit einer Tilgung nicht mehr zu rechnen gewesen sei. Ermittelt werde gegen fünf noch aktive oder ehemalige Vorstandsmitglieder, darunter den ehemaligen baden-württembergischen Wirtschaftsminister und FDP-Politiker Walter Döring, der sich nach eigenem Bekunden keiner Schuld bewusst ist.

Die Firma, die mit 130 Mitarbeitern vor allem Offshore-Anlagen plant und als Bauleitung betreut, teilte auf ihrer Homepage mit, dass sich die Anschuldigungen als haltlos erweisen werden. Der Vorstandschef und Alleinaktionär Willi Balz hatte sich schon Mitte Februar zu Gerüchten über Finanzierungsprobleme bei Windreich mit den Worten geäußert: »Die Kapitalmärkte verstehen unser Unternehmen nicht.« Anfang der Woche focht der 53-Jährige, der sein Geld ursprünglich mit der Projektierung von Einkaufszentren gemacht hatte, die Befürchtungen selbst an. Er bediente die Zinsen für eine Windreich-Anleihe über 50 Millionen Euro mit zweitägiger Verspätung. Obwohl die Papiere von der Börse Stuttgart vorübergehend vom Handel ausgesetzt wurden, sank ihr Wert zeitweise auf ein Viertel des Nennwerts.

Den besten Eindruck hatten auch Personalrochaden nicht gemacht. So verließ im Dezember 2012 der frühere Telekom-Finanzvorstand und Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick das Windreich von Balz. Als Finanzvorstand hatte Eick eigentlich den Börsengang des Unternehmens voranbringen sollen. Im Mai 2012 hatte Matthias Hassels denselben Posten aufgegeben. Balz beschuldigte den ehemaligen Sarasin-Banker damals, für die schlechte Kursentwicklung der Windreich-Anleihen mit verantwortlich zu sein.

Der umtriebige Schwabe an der Spitze des für die deutsche Energiewende nicht unwichtigen Unternehmens konnte allerdings zuletzt mit Prominenz punkten. Im Januar gab Windreich bekannt, die frühere ARD-Moderatorin Sabine Christiansen werde künftig als Aufsichtsratsvize agieren.

Die Turbulenzen können die deutsche Windkraftbranche, die von Subventionskürzungen gebeutelt ist, nicht unberührt lassen. Mehr als ein Drittel der bislang zur Verfügung stehenden Fläche für Windparks im deutschen Teil der Nord- und Ostsee werden von Windreich entwickelt.

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