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Der Trotz der Klipphausener

Verweigerte Fördergelder, ein Heer von Bedenkenträgern - wie eine Gemeinde bei Dresden zur Vorzeigekommune wurde

  • Harald Lachmann
  • Lesedauer: 5 Min.
Ob Schulneubauten, große Gewerbeprojekte oder Windenergie - die gut 10 000 Einwohner zählende sächsische Gemeinde Klipphausen bei Dresden wächst und entwickelt sich gegen alle Trends gut. Und das Allermeiste gelang Bürgermeister Gerold Mann und seinen Mitstreitern ohne jeden Cent von Land und Bund.

Es ist ein paar Jahre her, doch die Szene ist Gerold Mann gut in Erinnerung: Sachsens damalige Sozialministerin Helma Orosz (CDU) hatte ihre bayerische Amtskollegin zu Gast und wollte wohl vor ihr glänzen. So lud sie sie ins neue Schulzentrum nach Klipphausen bei Dresden ein. Hier kamen beide nicht aus dem Schwärmen her-aus: über die intensive Arbeit mit den Kindern, die kluge Kooperation zwischen Kita, Schule und Hort, die obligatorische Ganztagsbetreuung... Oroz, heute Oberbürgermeisterin in Dresden, lobte ausdrücklich, wie sich die Gemeinde für ihren Nachwuchs einsetzt.

Klipphausens Bürgermeister Gerold Mann hörte es und wusste nicht, ob er leise grinsen oder laut fluchen sollte. Denn wie sehr hatte er Jahre zuvor um dieses Zentrum gekämpft, das Land um Mithilfe, um Fördermittel gebeten. Wie einen Depp ließ man ihn auf den Ministeriumsfluren schmoren, um ihm dann doch nur einen Korb zu geben. Es war halt die Zeit, da wegen des Geburtenknicks Jahr für Jahr Hunderte Schulen in Sachsen schlossen. Und da wollte einer neu bauen?!

Doch wieder daheim, schwor sich der parteilose Ortschef: »Nun erst recht!« Auch der Gemeinderat stand geschlossen hinter ihm. Binnen drei Monaten war so die Schule im Ortsteil Sachsdorf hochgezogen, wenig später auch Kita, Sportplatz und Turnhalle - alles errichtet durch eine gemeindeeigene Baufirma und ohne jeden Cent von Land oder Bund. »Wir haben sie komplett frei finanziert«, erzählt Mann. Das Gros der Schulden dafür sei längst getilgt.

Dem Schulneubau folgte noch ein zweiter, nunmehr im neu hinzugekommenen Ortsteil Naustadt. Und prompt dasselbe Spiel: Anfragen nach Fördergeld, brüske Abfuhr in Dresden, trotzige Selbstbehauptung: »Dann bauen wir halt selbst!« Angesichts der latent wachsenden Einwohner- und Kinderzahl müssten beide Schulen nun sogar schon erweitert werden, erzählt Bürgermeister Mann. Er sagt es ebenso zufrieden wie nachdenklich. Schließlich stehen im Investitionsplan der Gemeinde für 2013 - es geht um sechs Millionen Euro - auch der Neubau eines weiteren Kindergartens, ein neues Vereinshaus im Ortsteil Weistropp sowie die Erweiterung des großen Gewerbegebietes in Klipphausen.

Gerade mit dem Industriepark in Autobahnnähe, in dem drei Firmen gut 250 Arbeitsplätze schaffen wollen, schließt sich für Klipphausen ein Kreis. Denn jenes Areal stand quasi am Anfang der Klipphausener Erfolgsstory, die wohl nicht nur in Sachsen ihresgleichen sucht. Gut 3000 Menschen finden hier heute Arbeit. Und das Verrückte: Auch dafür erhielt die Kommune nicht eine müde Mark von Land und Bund. Denn als sie sich für die Erschließung beziehungsweise Vermarktung der Gewerbeflächen mit drei privaten Interessenten verbündete, die hier auch selbst bauen wollten - ein Teppichmarkt, eine Baufirma und eine Bank -, sah sich Gerold Mann geradezu »umzingelt von Bedenkenträgern«. Ob Regierungspräsidium, Landkreis, Städte- und Gemeindetag oder »neunmalkluge Westberater«: Alle hoben die Hände, lehnten es ab, sahen nur »endlose Probleme in solchen Modellen«.

Vor allem unterstellte man den privaten Partnern, sie würden die Gemeinde mit ihrem kleinen ostdeutschen Bürgermeister doch nur über den Tisch ziehen. Also gab es für Klipphausen kein Geld. »Wir hatten nur die Wahl, die Pläne zu beerdigen oder es selbst in die Hand zu nehmen«, erinnert sich Mann.

Heute verfügt Klipphausen über eines der größten Gewerbegebiete im Osten. Und nie, so scheint es, ließ sich der gelernte Kfz-Meister über den Tisch ziehen - auch nicht, als sich in der Tat Interessenkonflikte mit den privaten Firmen andeuteten. Denn diese erhofften sich natürlich auch ihren Deal, nämlich aus dem Flächenverkauf. So wollten sie auch nicht ihre Forderungen senken, als die Immobilienpreise deutlich fielen und potenzielle Investoren bereits in Nachbarorte weiterzogen, wo es Bauland für weniger Geld gab. Deshalb organisierte der Bürgermeister schließlich gegen deren Willen eine hauseigene Konkurrenz: Er schob im Ortsteil Röhrsdorf ganz clever ein zweites Gewerbegebiet an. Das vermarktete die Gemeinde nun aber komplett selbst - zu realistischen Tarifen.

Ebenso schlau agierten die Klipphausener später auch mit Blick auf die Erschließungsfirma, die sie zunächst mit jenen drei Privatfirmen gegründet hatten, um Straßen, Trinkwassersysteme und Kläranlagen zu errichten. (Das taten sie immerhin derart professionell, dass sich daran später sogar die große Autobahnraststätte »Dresdner Tor« andockte.) Schon 1996 erwarb die Gemeinde die komplette Baufirma selbst. Man zahlte praktisch die Privaten aus, war nun allein Herr im Haus. Damit konnte man nicht nur den Bau der neuen Schulen stemmen, sondern »auch dem enormen Siedlungsdruck begegnen«, den die Gewerbeareale laut Mann erzeugten. Denn viele, die bisher einpendelten, wurden hier nun auch heimisch.

Rund 600 Wohnhäuser entstanden nunmehr neu oder wurden ausgebaut in der Großgemeinde, die bis 2012 aus 23 Dörfern bestand. Durch die Fusion mit der Nachbarkommune Triebischtal wuchs Klipphausen vor einem halben Jahr dann sogar auf 43 (!) Ortsteile.

Für die aktuelle Erweiterung des Gewerbeparks erhält Klipphausen nun übrigens endlich auch gut 1,4 Millionen Euro Förderung von Bund und Land. So kann sich die Kommune, die die Erschließung diesmal in die Region vergab, sogar leisten, ihren Baubetrieb anderweitig zu verplanen: Anvisiert ist ein eigener Windpark. Mit ihm will der Bürgermeister nicht zuletzt »den Beweis antreten wollen, dass es möglich sein muss, Ökoenergie auch kostengünstiger zu produzieren, als uns Politik derzeit weismachen will«.

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