Auf erfolgreichen Trampelpfaden

Ulli Wegner über Amateurboxen und sich überschätzende Weltmeister

  • Lesedauer: 3 Min.
Vergangene Woche traf sich beim 40. Chemiepokal in Halle/Saale ein großer Teil der Weltelite im Amateurboxen. Am Rande traf »nd« auch Profitrainer ULLI WEGNER. Im Gespräch mit MANFRED HÖNEL verriet er, dass er von den deutschen Amateuren viel erwartet. Sie sollten jedoch nicht allzu früh in den Profibereich wechseln.

nd: Was treibt einen erfolgreichen Profitrainer zum Amateurturnier?
Wegner: Wenn man in der Boxszene Bescheid wissen will, gehört es einfach dazu, auch Amateurveranstaltungen zu besuchen. Zudem ist mir der Chemiepokal ans Herz gewachsen. Er gehörte als Amateurtrainer zu meinen Standardaufgaben. Ich habe in Halle große Kämpfe gesehen, wie Ulli Kaden gegen den dreimaligen Olympiasieger Teofilo Stevenson aus Kuba, und selbst eine ganze Reihe von Boxern zu Pokalsiegern in Halle geführt. Ich erinnere nur an Sven Ottke und Oktay Urkal.

Wie beurteilen Sie das Niveau des Turniers in diesem Jahr?
Es war europäische Spitze. Ich habe mich vor allem über die Fortschritte der deutschen Boxer gefreut. Es war richtig, den Leipziger Michael Sebastian zum Cheftrainer zu ernennen. Ich habe selbst als Bundestrainer lange mit ihm gearbeitet. Was ich in Halle gesehen habe, macht mir Mut, dass wir auch bei den Amateuren bald wieder international mitmischen werden.

Sie trainieren Ihre Athleten immer noch meist in Kienbaum oder Zinnowitz. Was treibt Sie dorthin?
Das sind alte Trampelpfade, auf denen ich schon vor der Wende mit meinen Jungs gut gearbeitet habe. Erfolgreiche Wege verlässt man nicht. Die Trainingsbedingungen sind einfach ideal.

Wie bewerten Sie die Weltboxserie unter dem Dach des Amateurweltverbands AIBA?
Das ist eine Halbprofi-Serie. Von der Vermischung von Profis und Amateuren halte ich nicht viel. Ich bin eher dafür, die Amateure nicht mit 20 Jahren schon zu den Profis wechseln zu lassen. Sie sollen erst einmal ihr Talent bei den Amateuren ausschöpfen und in schweren Turnieren bei EM, WM oder Olympia eine Medaille erkämpfen. Danach können sie gut ausgebildet zu den Profis kommen. Die Jungs werden dann in dem harten Geschäft mehr Erfolg haben.

Sie sind wochenlang mit Ihren Boxern getrennt von Ihrer Frau Margrit in Trainingslagern. Wann werfen Sie das Handtuch?
Mit 70 macht man sich natürlich schon so seine Gedanken. Im Moment stehe ich aber noch voll unter Dampf. Ich bereite meine Nachfolger darauf vor, dass sie so in vier Jahren ohne mich auskommen müssen.

Ihnen wurde aus dem Umkreis Ihres Profis Marco Huck vorgeworfen, er sei beim Kampf gegen Firat Arslan, den er im vergangenen Jahr umstritten gewann, schlecht vorbereitet gewesen.
Prinzipiell ist der Trainer zwar für die Form seines Sportlers verantwortlich. Unberechtigte Kritik lasse ich mir aber nicht bieten. Denn auch die Boxer müssen körperlich und taktisch an ihre Grenze gehen. Ich habe nie die großen Weltmeister und Olympiasieger aus dem Amateurbereich übernommen. Meine Jungs stießen meist als Anfänger zu mir. Auch Huck hatte Talent. Mehr aber nicht. Ich habe ihm alles beigebracht. Und heute ist er Weltmeister. Leider leiden auch Weltmeister unter Selbstüberschätzung. Marco hat mit seiner Familie in einem Zimmer gewohnt, als er zu mir kam. Heute wohnen die Hucks in Berlin in einem Haus und haben ein zweites in Serbien. Da darf bei einem Boxer nicht der Blick für die Realitäten verloren gehen.

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