Rigider Sparkurs für die Insel

Europäische Union knüpft harte Bedingungen an Hilfskredite für Zypern

  • Kay Wagner, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Am Samstag beschloss die EU ein Milliardenhilfspaket für Zypern. Dessen Banksystem steht vor dem Kollaps - die Sparer sollen es richten.

Erstmals in der Eurokrise sollen Sparer gezwungen werden, die Banken zu retten. Betroffen sind Menschen mit Geldeinlagen bei Banken in Zypern. Sparer mit weniger als 100 000 Euro müssen 6,75 Prozent davon abgeben. Von höheren Einlagen werden 9,9 Prozent eingezogen. Darauf einigten sich die Mitglieder der Eurogruppe sowie Vertreter der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und des Internationalen Währungsfonds (IWF) mit zyprischen Regierungsvertretern nach zehnstündiger Verhandlung in der Nacht auf Samstag. 5,8 Milliarden Euro sollen so in die Staatskassen Zyperns fließen, rechnete der niederländische Chef der Eurogruppe, Jeroen Dijsselbloem, vor.

Zypern hatte im Sommer 2012 um EU-Hilfen gebeten. Es geht um gut 17 Milliarden Euro, rund zehn Milliarden davon für die Refinanzierung der Banken. Diese waren u.a. durch enge Verflechtungen mit den griechischen Geldhäusern in Schieflage geraten. Vielen droht die Pleite, was - so sehen es Unterstützer der Zypern-Hilfe - einen Staatsbankrott auslösen könnte.

Neben dem Geld aus der Zwangsabgabe soll der Europäische Stabilitätsmechanismus weitere zehn Milliarden als Kredit bereitstellen. Da diese theoretisch zurückgezahlt werden müssen, sind deutsche Steuergelder für Zyperns Rettung nicht geplant.

Die Zusage des Kredites sowie einer eventuellen Finanzspritze des IWF knüpft die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF an Auflagen: Unter anderem muss Zypern die Körperschaftssteuer für Unternehmen von 10 auf 12,5 Prozent erhöhen, müssen die Steuern auf Kapitaleinkünfte steigen und werden die Maßnahmen gegen organisierte Geldwäsche von einer unabhängigen Expertengruppe bewertet. Staatliche Betriebe müssen verkauft, der Bankensektor verkleinert werden, die zyprische Regierung verpflichtet sich zu einem rigiden Sparkurs.

Zur Rettung des Landes sollen auch Darlehen aus Russland beitragen. Wie genau, sei noch unklar, sagte EU-Wirtschafts- und Währungskommissar Olli Rehn am frühen Samstagmorgen. Über die Zwangsabgabe der Sparer wurde auf der Pressekonferenz aber erst auf Nachfrage von Journalisten gesprochen. »Die Größe des zyprischen Bankensektors gegenüber dem Bruttoinlandsprodukt ist so enorm, die Zahlen, um die es geht, sind so groß, dass die Sparer sich an der Rettung beteiligen müssen«, so Dijsselbloem. Auf die Frage, ob man die Zyprioten dafür bestrafen wolle, dass es in ihrem Land einen so großen Bankensektor gebe, antwortete er: »Wir wollen keinen bestrafen, wir wollen helfen.«

Als »maßgeschneidert für Zypern« bewertete EZB-Chef Jörg Asmussen die Abgabe. Sie erweitere die Steuergrundlage des Landes. Ein Vorbild für andere Länder sei die Maßnahme aber nicht.

Zyperns Regierung muss die Zwangsabgabe noch durch ein Gesetz legitimieren. Es soll am heutigen Montag verabschiedet werden. Laut Asmussen trafen die Banken jedoch bereits während der Pressekonferenz am Samstagmorgen Vorbereitungen, um die Beträge automatisch einzuziehen.

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sagte in einem Zeitungsinterview am Sonntag, dass die Kleinanleger geschont werden müssten. Sie seien für die Misswirtschaft nicht verantwortlich. Scharfe Kritik kam auch von der Vorsitzenden des Wirtschafts- und Währungsausschusses im EU-Parlament, Sharon Bowles: Mit der Zwangsabgabe hebele man die EU-Regeln zur Einlagensicherung aus. »Man raubt kleinen Anlegern den Schutz, den man ihnen versprochen hat. Wenn das eine Bank tun würde, würde man sie vor Gericht ziehen«, sagte die liberale Britin.

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