Protest gegen den »Viktator« dauert an

Verspätete Feiertagskundgebung der Orbán-Gegner in Budapest

  • Gábor Kerényi, Budapest
  • Lesedauer: 2 Min.
Ein landesweites Schneechaos hatte alle Freiluftveranstaltungen am ungarischen Nationalfeiertag, dem 15. März, vereitelt. Der Protest gegen die Willkürherrschaft der Regierung unter Viktor Orbán machte sich dennoch Luft - zwei Tage später.

Die mit Viktor Orbán und seinem Regime Unzufriedenen versammelten sich wieder einmal unter Schirmherrschaft und Organisation der Bürgerrechtsorganisation Milla (Eine Million für die Pressefreiheit). Weil Milla keine Parteipolitik betreiben will, durften Vertreter von Parteien auch am Sonntag nicht zu den rund 4000 Versammelten sprechen. Stattdessen versuchten namhafte Intellektuelle, die Atmosphäre in der bitteren Kälte aufzuheizen. Dazu gehörte der Philosoph Miklós Gáspár Tamás, der in Ungarn stets TGM genannt wird. Zwar ist Ungarn auf dem Papier eine parlamentarische Demokratie, doch für die oppositionellen Parteien sieht TGM in der Parlamentspolitik keine Zukunft mehr. Nicht nur, dass die Nationalversammlung in der laufenden Legislaturperiode noch keinen einzigen Vorschlag der oppositionellen Seite angenommen oder auch nur berücksichtigt hätte. Oppositionspolitiker werden oft nicht einmal angehört, die Parlamentarier erhalten tausendseitige Gesetzesvorschläge häufig erst eine oder zwei Stunden vor der Abstimmung. Mit den Ausschüssen verhält es sich nicht besser: In Ungarn, einem Land unverhüllter staatlicher Korruption und staatlichen Machtmissbrauchs, gelang es bisher nicht, auch nur einen einzigen parlamentarischen Untersuchungsausschuss ins Leben zu rufen. Deshalb forderte Tamás die Oppositionsparteien dazu auf, »nicht als Feigenblatt der Tyrannei zu dienen«, sondern dem Parlament den Rücken zu kehren und sich der Bewegung der Straße anzuschließen. Der Ausgang der nächsten Parlamentswahlen im Jahr 2014 sei nämlich programmiert: Der Sieg einer anderen als der gegenwärtigen Regierungspartei Fidesz (Ungarischer Bürgerbund) sei unmöglich geworden, durch das neue Wahlgesetz sei Wahlbetrug im Voraus legalisiert.

TGM empfahl auch den Bürgern, darüber nachzudenken, ob sie an den nächsten Parlamentswahlen überhaupt teilnehmen. Eine Beteiligung würde seiner Meinung nach nur Orbáns Macht legitimieren. Als Alternativen schlug Tamás die Bildung von Volkskomitees und die Organisation von Streiks und Massendemonstrationen vor. Man könne auch Volksentscheide veranstalten oder von anderen Instrumenten gewaltlosen Widerstands Gebrauch machen.

Die Meinung der Kundgebungsteilnehmer über den Regierungschef war jedenfalls eindeutig: Auf Transparenten wurde Orbán als »Viktator« bezeichnet.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal