Zu Tode ignoriert
Fabian Köhler über den Hungerstreik in Guantanamo
Jahrelang hatte Adnan Latif versucht, Öffentlichkeit für seinen Fall herzustellen, auf die Unmenschlichkeit seiner Haft im amerikanischen Guantanamo aufmerksam zu machen: ergebnislos. Nun ergreifen wieder 21 Insassen ihre Chance, ihre letzte Chance: Sie drohen mit dem Tod, verweigern seit 43 Tagen die Nahrungsaufnahme. Wie aussichtslos der Kampf trotz höchstmöglichen Einsatzes ist, zeigen momentan Politik, Medien und Öffentlichkeit - durch ihre Ignoranz.
Längst hat das Lager am Rande der zivilisierten Welt seinen Schrecken verloren. Zwischen Schließungsversprechen und der x-ten Wiederholung der Bilder einstürzender Hochhäuser sind einige physische wie psychische Krüppel allenfalls der stinkende Abfall in den Fugen des frisch gebohnerten politischen Parketts, das nervende Hintergrundrauschen im immer größer werdenden Kosmos der Unmenschlichkeit.
Für 166 Menschen bleiben Isolation, Verzweiflung und Folter hingegen Alltag. In einer Welt, in der nicht einmal mehr Menschenrechtsorganisationen ihnen selbiges zugestehen, bleibt nur der Tod als Chance auf ein selbstbestimmtes Leben. »Wer die Möglichkeit hat zu sterben, wird Glückseligkeit erfahren. Eine andere Hoffnung gibt es nicht«, waren die letzten Zeilen Adnan Latifs - über sich und uns. Mindestens 21 Menschen bieten wir mit unserer Ignoranz die besten Chancen, es ihm gleichzutun.
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