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SPD fällt beim Leistungsschutzrecht um

Kurswechsel vor Abstimmung im Bundesrat löst heftige Kritik im Internet aus / Offener Brief an Ministerpräsidenten

  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin (Agenturen/nd). Die SPD hat ihren Widerstand gegen das umstrittene Leistungsschutzrecht praktisch aufgegeben. Die Novelle steht am Freitag zur Abstimmung im Bundesrat, dort haben die von SPD, Grünen und Linkspartei regierten Länder eine Mehrheit.

Die nordrhein-westfälische Ministerin für Bundesangelegenheiten, Angelica Schwall-Düren, hat nun aber erklärt, sie rechne nicht mit einer Mehrheit für eine Anrufung des Vermittlungsausschusses. Demnach wollen auch Nordrhein-Westfalen sowie voraussichtlich weitere SPD-geführte Länder einen entsprechenden Antrag des rot-grün-regierten Schleswig-Holstein auf ein Vermittlungsverfahren nicht unterstützen.

Vor wenigen Tagen hatte der sozialdemokratische Kanzlerkandidat Peer Steinbrück dagegen noch erklärt, das Gesetz sei kontraproduktiv und er »denke, die SPD ist gut beraten, dieses Leistungsschutzgesetz im Bundesrat zu kippen«. Nun heißt es in einer Erklärung des SPD-Politikers, man lehnte das Leistungsschutzrecht zwar ab, das es sich aber lediglich um ein Einspruchsgesetz handele, könne es »angesichts der noch bestehenden Mehrheitsverhältnisse im Bundestag jetzt nicht aufgehalten werden«.

Eine Aussicht auf ein erfolgreiches Vermittlungsverfahren bestehe nicht, so die SPD weiter. Steinbrück versprach zugleich, »ein neues, taugliches Gesetz wird zu den ersten Maßnahmen einer neuen rot-grünen Regierung gehören«. Am Abend wollten sich die SPD-regierten Länder zusammensetzen und das weitere Vorgehen besprechen.

Dem vom Bundestag mit der Mehrheit der Koalition beschlossenen Gesetzentwurf zufolge sollen Verlage künftig Geld von Suchmaschinen wie Google oder Nachrichten-Aggregatoren wie dem Angebot google.news verlangen dürfen, wenn diese redaktionelle Inhalte der Verlage zur gewerblichen Nutzung verbreiten. Das Anzeigen von Verlinkungen und kurzen Textbeschreibungen soll allerdings weiterhin erlaubt bleiben.

Die Vorlage bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrats. Einen Einspruch der Länder könnten Union und FDP im Bundestag mit der sogenannten Kanzlermehrheit überstimmen. Allerdings hätte die rot-grüne Mehrheit in Bundesrat und Vermittlungsausschuss die Möglichkeit, die Beratungen bis zur Bundestagswahl hinauszuzögern, womit der Gesetzentwurf gescheitert wäre.

Im Internet löste die Kehrtwende der SPD scharfe Kritik aus. Markus Beckedahl von netzpolitik.org kommentierte die Haltung der Sozialdemokraten sarkastisch: »Peer Steinbrück verkündet offiziell, dass SPD gegen Leistungsschutzrecht ist, aber im Bundesrat nicht dagegen stimmt. Dafür könne man ihn zum Kanzler wählen. Findet den Fehler! Tolle Arbeit, SPD!« Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter kritisierten zahlreiche Nutzer das Verhalten der SPD.

Malte Spitz, Mitglied im Bundesvorstand der Grünen, betonte, seine Partei halte „die Anrufung des Vermittlungsausschusses im Bundesrat für den besten Weg, unser Ziel zu erreichen. Ich hoffe, dass die SPD morgen im Bundesrat diese Chance mit uns nutzt“.

In einem Offenen Brief haben sich unterdessen Sozialdemokraten, Experten und Medienschaffende an die Ministerpräsidenten der Länder gewandt, um die Regierungschefs der 16 Bundesländer aufzufordern, das Gesetz doch noch aufzuhalten. Zu den Unterzeichnern gehören unter anderem Henning Tillmann vom Gesprächskreis »Netzpolitik und Digitale Gesellschaft« beim SPD-Parteivorstand, die Sprecherin des Chaos Computer Clubs, Constanze Kurz sowie Juso-Chef Sascha Vogt.

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