Ramallah bereitet Obama kühlen Empfang
Palästinenser nehmen Friedensbotschaften des USA-Präsidenten nicht für bare Münze
»Bla bla bla«, sagt Abu Hassan und fuchtelt wütend mit den Armen, »Wir haben doch diese Sprüche schon tausendmal gehört, und tausend Mal ist alles noch viel schlimmer geworden.« Man müsse sich doch nur mal umschauen, fügt der Besitzer eines kleinen Supermarktes in der Nähe des Manara-Platzes im Zentrum von Ramallah hinzu. »Die Leute werden immer ärmer, das Militär marschiert einfach bei uns ein, wenn es Lust hat, und verhaftet Leute; Tausende sitzen im Knast. Und was macht Obama? Stellt sich neben Netanjahu und schwört ewige Freundschaft. Denkt der wirklich, dass wir ihm noch glauben, wenn er von Frieden erzählt?«
Es ist eine Aussage, die man an diesem Donnerstag überall im Westjordanland zu hören bekommt. Gerade ist Obama in der Mukata, dem Sitz des palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, eingetroffen, doch Begeisterung ist nirgendwo zu spüren - ganz im Gegenteil: Im Stadtzentrum demonstrieren mehrere hundert Palästinenser für ein Ende der Besatzung und gegen die ihrer Ansicht nach proisraelische Haltung Obamas, bewacht von einem massiven Polizeiaufgebot. Es hatte Befürchtungen gegeben, dass die Stimmung in offene Aggression und Gewalt umschlägt, womit Israels Regierung eine Begründung geliefert worden wäre, selbst die kleinsten Bemühungen um Fortschritte zu blockieren.
Eine Begründung, für die dann allerdings die Hamas im Gazastreifen sorgte: Von dort aus wurden bis zum Nachmittag fünf Raketen auf Israel abgeschossen. Ein Sprecher der Organisation, die mit der in Ramallah regierenden Fatah verfeindet ist, warf Obama und Abbas vor, sie seien Marionetten Israels. Dessen Regierung reagierte und erklärte mit Verweis auf die andauernden Bemühungen um eine palästinensische Einheitsregierung, Abbas mache alle Friedensbemühungen zunichte, solange er den Schulterschluss mit solchen »Terroristen« suche.
Dass Abbas und die Mitglieder der palästinensischen Regierung die Meinung der Menschen auf der Straße teilen, ist deutlich sichtbar, als Obama dem eigens aus den USA herantransportierten Hubschrauber Marine One entsteigt und sich Funktionären mit versteinerten Gesichtern gegenüber sieht - ein krasser Kontrast zu der herzlichen Begrüßung, die dem US-Präsidenten tags zuvor in Israel zuteil wurde. Wobei das eine zum anderen beigetragen haben dürfte: »Die Freundlichkeit, mit der Obama auf Netanjahu zugegangen ist, hat uns schon überrascht«, sagt Saeb Erekat, der palästinensische Chefunterhändler. Man habe sich vor dem Hintergrund der Haltung der neuen israelischen Regierung in der Friedensfrage und den tagtäglichen Problemen in Palästina mehr Distanz erhofft.
Zwei Stunden sprechen die US-amerikanischen und palästinensischen Delegationen miteinander; worüber genau, dazu liefert auch die gemeinsame Pressekonferenz von Obama und Abbas keine Aufschlüsse. Tags zuvor in Jerusalem hatte Obama ewige Freundschaft geschworen und betont, man sei in der Iran-Frage gar nicht so weit auseinander.
Jetzt in Ramallah erklärt er, er verstehe die Demonstrationen gegen ihn. Seine Regierung betrachte die Siedlungsaktivitäten durchaus »nicht als konstruktiv, als angebracht, als etwas, das den Friedensprozess voranbringen kann«. Dennoch, mahnte er, sollten die Palästinenser einen Baustopp nicht zur Bedingung für Verhandlungen machen: »Verhandlungen haben keinen Sinn, wenn alles bereits vorher festgelegt werden muss.« Der Friedensprozess, versprach er, werde eine Priorität in der Arbeit seines Außenministers John Kerry sein.
Draußen, in Ramallahs Stadtzentrum, wird sehr schnell deutlich, dass diese Aussagen nicht dazu geeignet sind, die Skepsis der Menschen zu zerstreuen.
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.