»Die Erneuerbaren sind viel teurer als Kohle und Atom«

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Die Energiewende gerät in den Medien immer mehr zum Schreckensszenario: zu teuer, zu unsicher, schlecht für den Standort Deutschland. Vor allem die schwarz-gelbe Koalition bläst zur Jagd, um die von einer Mehrheit gewollte Energiewende schlecht zu machen. Was ist dran an den vielen Mythen, Lügen und Argumenten, mit denen die Öffentlichkeit aktuell bearbeitet wird? Die Rosa-Luxemburg-Stiftung stellt den gängigen Behauptungen in einer von Wolfgang Pomrehn verfassten Broschüre Antworten entgegen – was es wirklich auf sich hat mit dem »Armutsrisiko Energiewende?«, lesen Sie hier täglich in einer nd-Reihe.

„Die Erneuerbaren sind viel teurer als Kohle und Atom“

Die Behauptung:

Die Kosten von Strom aus Steinkohlekraftwerken betragen etwa 4,5 Cent pro Kilowattstunde, bei Braunkohlekraftwerken sind es sogar nur 3,5 Cent. Die Vergütungen für Ökostrom sind hingegen viel höher.

Die Fakten:

Stimmt, aber nicht mehr in jedem Fall und nicht mehr lange und auch heute nur dann, wenn die diversen Subventionen für die konventionellen Kraftwerke ebenso wie die von ihnen verursachten Umweltschäden unterschlagen werden. Um genau zu sein: Je nach Anlagengröße gibt es für Solarstrom zwischen 11,78 und 17,02 Cent pro Kilowattstunde, für Windstrom (Onshore) in den ersten fünf Jahren 8,93 bis 9,41(danach nur noch 4,87) und für Strom aus Biogasanlagen 5,88 bis 22,1 Cent pro Kilowattstunde (Stand: Januar 2013).

Bei genauerer Betrachtung sind die Unterschiede also gar nicht mehr so groß. Außerdem wird sich der Ökostrom aufgrund technischer Fortschritte, die erhebliche Einsparpotenziale versprechen, in Zukunft noch weiter verbilligen. Entsprechend werden die Vergütungen für Strom aus neuen Solaranlagen schon derzeit im Monatsrhythmus abgesenkt. Strom aus Kohle- und Gaskraftwerken wird dagegen langfristig teurer werden. Die Gründe: eine geringere Auslastung der Anlagen, weil der saubere Strom bevorzugt wird, steigende Brennstoffkosten sowie wachsende Kosten für CO2-Zertifikate, das heißt für Verschmutzungsrechte.

Davon abgesehen wurde auch der Kohle- und Atomstrom in der Vergangenheit auf vielfältige Weise subventioniert und gefördert – und wird es weiterhin. So flossen beispielsweise im Jahr 2012 rund 514 Millionen Euro aus dem Bundeshaushalt in die Erforschung der Atomenergie, Reaktorsicherheit und Entsorgung, weitere 160 Millionen Euro in die Kernfusionsforschung. Beides bedeutet jeweils eine Steigerung von einigen Dutzend Millionen Euro gegenüber dem Vorjahr. Zum Vergleich: Trotz aller Lippenbekenntnisse zur Energiewende gab es vom Bund fürdie Erforschung erneuerbarer Energieträger nur knapp 430 Millionen Euro Fördergelder.

Außerdem wären da noch die sogenannten Ewigkeitskosten des Kohlebergbaus – Folgekosten, die auch lange nach der endgültigen Stilllegung der Förderanlagen anfallen. In Nordrhein-Westfalen betragen sie jährlich rund 500 Millionen Euro. Einige Städte im Ruhrgebiet haben sich inzwischen so stark abgesenkt, dass sie unter dem natürlichen Grundwasserspiegel liegen. Sie drohen in Seen zu versinken, würde nicht ständig das Wasser aus Flüssen und Bächen abgepumpt. Im Saarland wird für die nächsten Jahrzehnte mit Ewigkeitskosten von insgesamt 12 bis 13 Milliarden Euro gerechnet. Bisher ist noch völlig offen, ob ein Teil davon aus Steuergeldern aufgebracht werden muss. Völlig außer Acht gelassen sind dabei die enormen Folgekosten des Klimawandels, die sich nur schwer beziffern lassen.

Rechnet man jetzt noch die anderen Vergünstigungen für Atom- und Kohlestrom hinzu, insbesondere die mehreren Milliarden Euro, die jährlich aus den Haushalten des Bundes und des Landes Nordrhein-Westfalen in die Unterstützung des Steinkohleabbaus fließen, kommt man nach Angaben des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft auf Kosten von derzeit 10,2 Cent pro Kilowattstunde für Kohle- und Atomstrom. Gesamtgesellschaftlich ist Onshore-Windstrom also heute bereits billiger, und Solarstrom wird es bald sein.

Am 23. März findet in Hamburg die Konferenz »Energie für alle« statt. Zu der Tagung, an der Linken-Politiker, Umweltexperten und Energie-Aktivisten teilnehmen, haben die Linke im Europaparlament und der Hamburger Landesverband eingeladen. Die von Wolfgang Pomrehn verfasste Broschüre »Armutsrisiko Energiewende?« ist in der Reihe »luxemburg argumente« erschienen und kann bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung bestellt werden.

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