Wenn der Hilfs-Sheriff mit der Zeitung haut

Wie Bremen die Kriminalstatistik verbessern will

  • Alice Bachmann, Bremen
  • Lesedauer: 3 Min.
Fast 3000 Einbrüche wurden in Bremen im Jahr 2012 gemeldet. Nun möchten die Behörden die ZeitungszustellerInnen in die Kriminalitätsbekämpfung einspannen, doch die haben ganz andere Sorgen.

Ein Wermutstropfen trübte die Bekanntgabe der Bremer Kriminalitätsstatistik für 2012 durch Innensenator Ulrich Mäurer (SPD). Obwohl die Gesamtzahl der Straftaten im Bundesland Freie Hansestadt Bremen im Vergleich zum Vorjahr um rund 6000 zurückgegangen und die Aufklärungsquote auf über 50 Prozent angestiegen war, konnte der Anstieg der Einbruchsdiebstähle in der Stadt Bremen nicht aufgehalten werden. Die Zahl wuchs auf fast 3000. Dass hierbei auch die Aufklärungsquote auf etwas über elf Prozent gestiegen war, konnte nicht so recht trösten. Wenn nur etwa jeder zehnte Einbruchsdiebstahl aufgeklärt wird, sinkt das kollektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung.

Ein Auto fuhr zu langsam

Was also tun? Die Menschen zu noch mehr Vorsicht, besseren Einbruchssicherungen und mehr Wachsamkeit aufrufen? Das hatten Innensenator und Polizei schon vor zwei Jahren getan. Aus der Statistik ergibt sich, dass dieser Weg nicht von Erfolg gekrönt war.

Verstärkt wurde nun auch für Wachsamkeit der Nachbarschaften geworben. Und prompt wimmelt es im digitalen »newsroom« der Bremer Polizei von Meldungen über gefasste Diebe und Einbrecher aufgrund von Hinweisen, die aus der Nachbarschaft kamen. Einer der Anrufe betraf übrigens ein verdächtig langsam fahrendes Auto in einer Wohnstraße. Hier konnte der Beamte, der den Notruf entgegen nahm, aber gleich Entwarnung geben. Es handelte sich um eine Zivilstreife.

Zwischen den Erfolgsmeldungen finden sich aber immer noch jede Menge Berichte über nicht aufgeklärte Taten. Deshalb wurde nun Neuland betreten, mit Blick auf die größte Berufsgruppe, die zu nachtschlafender Zeit schon emsig durch die dunklen Straßen radelt: die ZeitungszustellerInnen. Immerhin konnte in Bremens kleiner Nachbarstadt Verden ein Menschenleben gerettet werden, weil einem aufmerksamen Zeitungszusteller eine Situation so verdächtig vorkam, dass er die Polizei rief. Die drei Gewalttäter wurden verurteilt.

Von »Hilfs-Sheriffs« sprach die LINKE in der Bremischen Bürgerschaft und monierte eben dort die Idee der Polizei. Von »einem einfachen Flugblatt«, das an die ZeitungszustellerInnen verteilt wurde, sprach Rainer Gausepohl, Sprecher des Bremer Innensenators, auf Nachfrage des »nd«.

Die wohl meisten der Bremer ZeitungszustellerInnen - nämlich jene, die für den »Weser-Kurier« arbeiten - haben aber im Moment ganz andere Probleme im Job. Denn sie sollen künftig mit Stoppuhren »bewaffnet« durch die Straßen flitzen. Ohne die obligatorische Rücksprache mit dem Betriebsrat wurden sie aufgefordert, einen Teil ihrer Arbeit, das reine Austeilen der Zeitungen, penibel in Sekunden und Minuten zu erfassen und zu dokumentieren. Folglich wachsen, wie Internet-Foren zeigen, die Ängste vor noch größerer Arbeitsverdichtung gepaart mit weiteren Lohnkürzungen. Da tritt die Idee, noch eine zusätzliche Aufgabe in Form einer Art Wachdienst zu übernehmen, in den Hintergrund.

Notwehr mit der Zeitung?

Auch die ver.di-Abteilung Verlage Druck und Papier legt bei der Betreuung der ZustellerInnen die Schwerpunkte auf deren gerechte Bezahlung und persönliche Sicherheit. Unfallschutz und Abwehr von Angriffen sind die Themen, die gemeinsam mit der zuständigen Berufsgenossenschaft »Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse« bearbeitet werden. Das geschieht in Form regelmäßig angebotener Präventionsseminare für ZeitungszustellerInnen. Darin wird auch erklärt, wie wichtig selbstsicheres Auftreten ist - und dass zur Abwehr im Bedrohungsfall auch das Benutzen einer Zeitung als Notwehr erlaubt ist.

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