Periskop im Sarg

Angst vor der Tiefe

  • Sarah Liebigt
  • Lesedauer: 2 Min.

In den USA gibt es eine Firma, die qualitativ hochwertige Soundsysteme vertreibt. Kleine, feine Boxen und eine Funkstation, um eben diese Boxen auch aus großer Entfernung bespielen zu können. Mit »Knocking on Heaven›s Door‹« zum Beispiel. Besagte Boxen befinden sich im Sargdeckel. Den Song von Bob Dylan also können Angehörige ihren Liebsten um die dem Verfall preisgegebenen Hörorgane hauen. Welch wundersame Vorstellung. Der Spaziergang über den Friedhof könnte zum Gang durch die Musikgeschichte werden, oder zum kleinen Festival der Schlagermusik, oder zum Metalkonzert! »Zombie« von den Cranberries folgt auf Manfred Krugs »Als der Opa von uns ging«, und aus der Familiengruft auf Parzelle 103 tönt die Kelly Family.

Diese Nachricht nun ist vor allem für alle Taphephobiker sehr beruhigend. Ihre Angst davor, im Sarg sechs Fuß unter der Erde langsam zu ersticken, wird besänftigt von der Gewissheit, dass dazu ihr Lieblingslied läuft: Taphephobie nennt der Fachmann die Angst vor dem lebendig Begrabenwerden: die Angst vorm Scheintod und seinen in Gruselgeschichten verbreiteten Folgen. 1767 noch wurde in Amsterdam die »Gesellschaft zum Kampf gegen den Scheintod« gegründet. Bastler widmeten sich in den folgenden Jahrzehnten der Entwicklung von allerlei Gerät, das ein Lebendigbegraben werden verhindern oder im Falle des Falles lebensrettend eingreifen sollte. Darunter z.B. Apparate, die bei minimalsten Zuckungen des vermeintlich Toten entweder für Frischluftzufuhr sorgen oder Alarm schlagen sollten. Effektiver indes als ein in den Sarg ragendes Periskop (1913) waren noch vor dem Begräbnis zu treffende Vorsichtsmaßnahmen: »Das Bespritzen mit kaltem Wasser ist offensichtlich von außerordentlichem Eindruck auf den Toten, da, wie bekannt ist, das Tropfen auf den kahlgeschorenen Kopf das ganze Nervensystem gewaltig erschüttert«, hieß es in einem Zeitungsartikel Anfang des 19. Jahrhunderts.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal