Geld wird knapp, Solidarität bleibt
Zypern: Mit Banken-Wiedereröffnung ist nur der erste Krisenakt überstanden
Die ersten, die am Donnerstagmorgen vor den Banken in Zypern standen, waren ausländische Kameraleute und Reporter. Sie wollten Bilder von aufgebrachten Einheimischen, die an den Türen rütteln und Einlass begehren. Das ganze Land war auf den großen Ansturm eingerichtet, nachdem die Geldhäuser zwölf Tage lang geschlossen blieben. Security und Polizei bewachten die Banken, Streifenwagen patrouillierten davor.
Doch das Chaos blieb aus. Als um 12 Uhr die Filialen öffneten, standen die Leute in geordneten Reihen friedlich davor und ließen alten Mütterchen den Vortritt. »Wir zeigen allen, dass wir ein zivilisiertes Volk sind«, sagte einer der vielen Interviewten. Es flogen keine Steine, es brannten keine Barrikaden.
Präsident Nikos Anastasiades lobte die Reife und Würde der Bürger. Der erste Akt der Zypern-Krise ging gesittet über die Bühne. Nun steht der zweite Akt bevor, der sich nicht mehr vor laufenden Kameras abspielt. Die Einschnitte im Geldverkehr sind dabei nur der Beginn. Finanzminister Michalis Sarris hat das erste »Notstandsdekret« erlassen, mit dem der Kapitalfluss kontrolliert wird. Pro Person können täglich 300 Euro aus dem Bankautomaten geholt werden, Überweisungen auf Konten im Ausland sind nur in Ausnahmefällen gestattet, bei Reisen darf der mitgeführte Bargeldbestand 1000 Euro pro Person nicht überschreiten und Karten dürfen im Ausland nur bis zu 5000 Euro belastet werden. Auf diese Weise soll der Abfluss des Geldes aus der Republik Zypern verhindert werden. Kontoeinlagen über 100 000 Euro bei der Laiki-Bank und der Bank of Cyprus sind ohnehin eingefroren.
Die Forderung der Eurogruppe, den aufgeblähten Bankensektor zu verkleinern und die Körperschaftssteuer auf 12,5 Prozent zu erhöhen, soll das »Geschäftsmodell Zypern« generalüberholen. Die auf den Banken- und Geschäftssektor ausgerichtete Ökonomie wird in kürzester Zeit große Verluste hinnehmen müssen. Arbeitsminister Harris Georgiades erwartet ein Schrumpfen der Volkswirtschaft allein im laufenden Jahr um 3,5 Prozent und eine dramatische Erhöhung der Arbeitslosigkeit, die schon jetzt mit 14,7 Prozent auf Rekordlevel ist. Die Republik Zypern hat außerdem die zweithöchste private Verschuldungsrate im EU-Vergleich. Durch steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Löhne wird eine hohe Quote von nicht rückzahlbaren Haus- und Konsumkrediten befürchtet. Die Zyprer bangen nicht nur um ihren Lebensstandard, sondern auch um ihre Existenz.
Die zyprischen Politiker bemühen sich um sichtbare Taten. Eine dreiköpfige Untersuchungskommission wurde ins Leben gerufen, um die Verantwortlichen für den Zustand des maroden Bankensektors zu finden und sie politisch an den Pranger zu stellen oder sogar strafrechtlich zu belangen. Die Staatsführung will außerdem für bevorstehende Sparmaßnahmen ein gutes Beispiel geben und verkündete, die Vergütung des Präsidenten um 25 Prozent sowie die der Minister um 20 Prozent zu kürzen.
Am Montag findet in der Hauptstadt ein »Cyprus Aid«-Konzert statt. 50 Künstler aus Zypern und Griechenland treten ohne Gage auf. Die Gäste des Events sind aufgerufen, Lebensmittel, Medikamente, Waschpulver, Windeln oder andere Sachgüter als Eintrittspreis mitzubringen, die an bedürftige Personen und Familien verteilt werden.
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