Im Haus der vergessenen Waren
Josef Lawaczeck übernahm vor sieben Jahrzehnten in Krefeld eine Drogerie - er betreibt sie immer noch
Krefeld. Agfa-Fotofilme, Waschsoda und Reinzuchthefe - Josef Lawaczeck (87) hält in seiner Drogerie in Krefeld (Nordrhein-Westfalen) ein Sortiment fast vergessener Waren vor. Dazu zählt auch Schellack zur Pflege von Holzböden. In Regalen und Vitrinen aus der Vorkriegszeit warten »Pitralon« für rasierte Herrenhaut und Lavendelduft für die elegante Dame auf Käufer.
Die Drogerie hat Josef Lawaczeck als 17-Jähriger von seiner Tante Elisabeth übernommen und betreibt sie noch immer - seit 70 Jahren. Der Großvater war Apotheker. Früher verkaufte man auch Gemischtwaren, Kaffee, Zigaretten. Lawaczeck hat seinen Laden zuletzt 1945 renoviert, nachdem ein amerikanischer Panzer in die Schaufensterfront gekracht war.
Nun schrillt die Türglocke. »Ich brauche einen Liter Schwiegermutterbrause!« ruft der Kunde. Verkäuferin Anneliese Schmitz (72) verschwindet ins Kontor zum Giftschrank - und kehrt mit verdünnter Salzsäure zurück. Der Handwerker benötigt die Chemikalie regelmäßig für Lötarbeiten. Die nächste Stammkundin verlangt nach der einzigen Sorte Duschgel. Und zahlt ungerührt vier Euro, obwohl sie beim Discounter um die Ecke deutlich günstiger davonkäme.
»Na ja, unser Einkaufspreis liegt oft höher als der Verkaufspreis bei den Ketten«, erklärt Lawaczeck. »Wäre sehr schade, wenn der Laden zumachte«, argumentiert die Kundin. Sie nimmt noch den Verkaufsschlager mit: Honig vom heimischen Imker. Im Krefelder Stadtteil Hüls ist Lawaczeck seit Jahrzehnten eine liebgewonnene Institution. Jeder kennt ihn hier. Als in den 1970er Jahren die Drogeriemärkte aus dem Boden schossen, war Josef Lawaczeck in seinem kleinen Fachgeschäft für Seifenartikel, Kräuter und »Arzneidrogen« bald umzingelt von Konkurrenz, dann fiel auch noch die Preisbindung. Kurz danach war der Laden unrentabel.
Aber der rüstige Geschäftsmann blieb eisern an seinem Platz. Er hat Anton Schleckers Drogerie-Imperium kommen und verschwinden sehen. Wirtschaftlichen Sinn macht das Ausharren allerdings nicht, seine Drogerie ist ein Zuschussgeschäft. Bisweilen rettet der Chef die Bilanz am Monatsende mit Geld aus seiner Rente. Haus und Laden sind Eigentum. Manchmal deckt der Umsatz kaum das Gehalt der einzigen Verkäuferin.
Für den Senior steht dennoch fest: Er wird weitermachen, wenngleich sich das Ende abzeichnet: »Ich finde einfach keinen Nachfolger.«
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