Google ist Großer Bruder des Jahres

Internetkonzern erhielt für seine Datensammelwut die Negativ-Auszeichnung BigBrotherAward

  • Uwe Sievers
  • Lesedauer: 3 Min.
BigBrotherAward nennt der Bürgerrechtsverein Digitalcourage seine Negativ-Auszeichnung für die größten Datensammler. Die Post setzt dafür ihre Briefträger ein und Apple Videokameras. Für die Internet-Suchmaschine Google musste eigens eine neue Kategorie geschaffen werden.

Einmal im Jahr veranstaltet der Verein Digitalcourage, vormals FoeBud, eine große Gala, um einen Preis zu verleihen, den keiner haben will. BigBrotherAward, BBA, nennt der Bielefelder Verein diesen Preis, der in sechs Kategorien vergeben wird. Bereits seit 2000 vergibt der Datenschutzverein diesen »Oscar für Datenkraken« an Firmen, Organisationen und Personen, die durch »datenschutzfeindliche Praktiken die Privatsphäre von Menschen beeinträchtigen«. Unter den Gewinnern finden sich immer wieder Internet-Giganten wie Facebook oder dieses Jahr Apple und Google. In der neu geschaffenen Kategorie globales Datensammeln geht der BBA an Google, da der Konzern mit seinem de facto Monopol eine globale Überwachungsstruktur aufbaue.

Google hat Macht. »Google weiß, wer wir sind, wo wir gerade sind und was uns wichtig ist.« Google wisse, wann wir schlafen und wann wir wach sind, »für welche Personen, Nachrichten und Bücher wir uns interessiert haben, nach welchen Krankheiten wir recherchiert haben« sowie vieles andere mehr, sagte Rena Tangens vom Verein Digitalcourage anlässlich der Preisverleihung am Freitagabend. Google nutze mehr als 57 verschiedene Merkmale, um jeden Einzelnen zu identifizieren.

BigBrotherAward - Sonstige Preisträger

Apple Retails Germany in München: für die umfassende Videoüberwachung von Beschäftigten bis in die Pausenräume.

Deutsche Post Adress GmbH: Die Adress- und Umzugsdaten von Millionen Menschen in Deutschland bilden den Grundstock für den Adressdatenbestand der Deutschen Post Adress GmbH und Co KG. Und die verkaufe ihre landesweite Ortskenntnis an zahlende Kunden weiter. Wer keinen Nachsendeantrag stellt, dem sei die Adressenrecherche der Preisträgerin trotzdem auf den Fersen.

Bundespolizei: für Polizeikontrollen, bei denen Personen aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes (Hautfarbe, Religion, Sprache) gezielt aus einer Menschenmenge herausgegriffen werden, um ihre Personalien zu überprüfen. Diese verbreitete Praxis rassistischer Rasterungen nennt man »Racial« oder »Ethnic Profiling«; auf objektive Indizien als Verdachtsmomente kommt es bei dieser Kontrollpraxis nicht an.

Ministerpräsidenten der 16 Bundesländer für die neue Rundfunkgebühr: Mit der neuen Haushaltsabgabe für den öffentlichen Rundfunk sei die Chance verpasst worden, eindeutige, personenunabhängige Regelungen zu entwickeln. In der mehrjährigen Übergangsphase verarbeite der Beitragsservice BEZ sogar viel mehr Daten als zuvor die GEZ. nd

»Google ist für sehr viele Nutzer der zentrale Zugang zum Internet geworden.« Dabei sei Google nicht nur eine Suchmaschine, sondern zu allererst ein globaler Werbekonzern, so Rena Tangens. Auch im Internet-Werbemarkt habe Google mittlerweile so etwas wie eine Monopolstellung.

Googles kostenlose Dienste seien ein trojanisches Pferd. Das Unternehmen sammele mit Googlemail, Youtube und Cloud-Angeboten sowie seinem sozialen Netzwerk Google+ weitere personenbezogene Daten. Und gesammelt wird auch außerhalb des Internets: »Googles Rasterfahndung ist überall«, sagte Tangens. Mit Android kontrolliert Google einen Großteil der Smartphones und Tablets. Daneben wertet der Konzern Satellitenfotos aus, schickt Autos mit Kameras durch die Straßen der Welt und betreibt in mehreren Städten der USA eigene Datennetze. Mit Google Glass kommt in Kürze eine Datenbrille auf den Markt, die Bild und Ton aufzeichnen und an Google senden kann. Die Konsumenten würden dann »als menschliche Drohnen Daten aus ihrer Umgebung für Google sammeln«, so Tangens, denn »einmal von links nach rechts geschaut, könnte die Gesichtserkennung via Google mitlaufen und registrieren, wer in der Umgebung sitzt«. Die Ziele des Konzerns verdeutlichten Aussagen seiner Gründer: »Wir wollen Google zur dritten Hälfte Ihres Gehirns machen«, zitiert Tangens Konzerngründer Sergey Brin, der bereits von Implantaten träumt.

Im März 2012 fasste Google die unterschiedlichen Datenschutzbestimmungen seiner Dienste zusammen. Das brachte den Stein ins Rollen, es hagelte Protest. Denn Google lasse sich darin das Recht einräumen, die Daten jedes Nutzers aus allen Diensten zusammenzuführen und auszuwerten, ohne das Verfahren offenzulegen und den Zweck klar zu benennen, kritisiert Hamburgs Datenschutzbeauftragter Johannes Caspar auf der Webseite seiner Behörde. Durch die neuen Bestimmungen können Nutzerdaten »in erheblicher Weise zu einer Profilbildung Betroffener« verwendet werden. Die EU bildete eine Task Force bestehend aus Datenschützern mehrerer Länder. Deutschland ist vertreten durch den Hamburger Datenschützer.

Rena Tangens kritisierte auch die Bequemlichkeit der Nutzer, denn diese sei es, die den Erfolg Googles möglich mache. Der Verein fordert, »Google muss zerschlagen werden«, denn Monopole müssten reguliert werden und Dienste, die sich zu einer Art Grundversorgung ausgeweitet hätten, gehörten unter öffentliche Aufsicht.

Der Datenschützer Johannes Caspar ist nun gespannt auf die Diskussion, die durch die Preisverleihung eintreten wird. »Es ist ein Preis mit sozialer Wirkung, da er das Bewusstsein der Öffentlichkeit für diese Fragen schärft. Denn Unternehmen wie Google, sind in hohem Maße auf das Vertrauen ihrer Nutzer angewiesen«, sagte er im Gespräch mit nd. Vom Konzern war trotz mehrfacher Anfragen zu keiner Stellungnahme bereit.

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