Bedrohliche Dämmerung

Auftrieb für Neofaschismus in der Wiege der Demokratie

  • Anke Stefan, Athen
  • Lesedauer: 4 Min.
Die Parteiführung der Goldenen Morgendämmerung gibt sich in der Öffentlichkeit eine weiße Weste. Mit rassistischen Parolen heizt sie gleichzeitig gewalttätige Übergriffe auf Migranten und andere an.

Die Szenerie ist gespenstisch: junge, grimmig drein blickende Männer schwenken Fahnen mit einem an das Hakenkreuz gemahnenden schwarzen Mäander auf rotem Grund. Auch die Parolen erinnern an unselige Zeiten: »Blut, Ehre, Goldene Morgendämmerung« rufen hunderte Anhänger der griechischen neofaschistischen Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgendämmerung) beim Auftritt ihres »Führers« Nikos Michaloliakos.

Und auch dessen Worte lassen an Deutlichkeit, welcher Ideologie man anhängt, nichts zu wünschen übrig. »Sie nennen uns Nazis, aber Diebe hat man uns noch nie genannt«, rief der Parteiführer beim »12. Festival der Griechischen Jugend« unlängst in Athen. Und die Hand zum Hitlergruß hebend fügte er hinzu: »Diese Hände mögen auf diese Weise grüßen, aber sie sind sauber, sie haben nie gestohlen.«

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Mit derartigen Verlautbarungen versucht die Goldene Morgendämmerung sich von den sogenannten linken und rechten Systemparteien abzugrenzen, deren Politiker nichts als das eigene Wohl im Auge und die Hände ständig in den Taschen des griechischen Volkes hätten. Doch die Worte von den sauberen Händen sind eine dreiste Lüge. Die Liste der seit Oktober 2011 dokumentierten Angriffe der faschistischen Schlägerbanden der Partei auf meist dunkelhäutige Migranten ist lang, allein vom 18. September 2012 bis zum 18. März dieses Jahres wurden 72 Fälle rassistischer Gewalt registriert. Ein Opfer starb, 62 wurden zum Teil schwer verletzt.

Die meisten Angriffe richten sich gegen Migranten, wie am 22. September 2012, als etwa 15 »unbekannte Täter« im Athener Stadtteil Metamorfosi ein von Pakistanern bewohntes Haus angriffen. In derselben Nacht wurden weitere drei Pakistaner an einer Bushaltestelle von einer Motorradbande mit Knüppeln und Messern verletzt.

In jüngster Zeit richten sich die Anschläge der Faschisten vermehrt gegen Linke und deren Einrichtungen. Ende Februar wurde auf der Insel Paros eine antifaschistische Demonstration angegriffen. In den Morgenstunden zum 4. April warfen Faschisten Brandbomben auf das selbstverwaltete Zentrum »Synergeio« im Westen Athens. Im Gebäude hielten sich Menschen auf, von denen aber niemand verletzt wurde.

Öffentlich leugnet die Partei, dass diese Angriffe von ihren Mitgliedern ausgehen. Selbst als nach einem Anschlag mit einem Molotowcocktail auf eine Filiale der Zypernbank im nordgriechischen Volos Ende März bei den kurz darauf gestellten Tätern nicht nur Waffen, Hitlerbilder und Hakenkreuzfahnen, sondern auch T-Shirts mit dem Parteilogo der Goldenen Morgendämmerung gefunden wurden, behauptete Mickaliolakos, die Festgenommenen hätten keinerlei Verbindung zu seiner Organisation. Intern jedoch wird Tacheles geredet. So beklagte ein Redner auf einer von einem BBC-Reporter heimlich mitgeschnittenen Parteiversammlung am 16. Dezember 2012, dass ein Angriff von Parteijugendlichen auf den Abgeordneten der Linksallianz SYRIZA, Dimitris Stratoulis, keinen größeren Schaden als eine zerstörte Brille und ein paar blaue Flecke angerichtet habe.

Im Parlament gerieren sich Mitglieder der Goldenen Morgendämmerung jedoch offen als Rassisten. Als »Untermenschen« bezeichnete die einzige weibliche Abgeordnete und Ehefrau des Führers der Partei, Eleni Zaroulia, die Migranten. Für ihren Parlamentskameraden Ilias Kasidiaris sind die ausländischen Einwanderer »Abfall«. Im nationalistisch aufgeheizten Griechenland erhalten solche Phrasen wie der Versuch der Partei, sich als einzige gegen »das korrupte Politikersystem« stehende Partei zu gerieren, Applaus. Ein Blick auf das Abstimmungsverhalten entlarvt die Mimikry aber. Zwar gibt es bisher keine Beweise, inwieweit Berichte etwa der britischen Zeitung »Guardian«, wonach die Partei kräftige finanzielle Zuwendungen von den mächtigen Reedern erhält, der Wahrheit entsprechen. Fakt ist jedoch, dass die Partei sich immerzu für deren Interessen einsetzt und beispielsweise im Parlament gegen eine Besteuerung der Reeder stimmte.

Die Aussichten sind besorgniserregend. Obwohl jedermann weiß, um was für eine Partei es sich bei der Goldenen Morgendämmerung handelt, gelang den griechischen Faschisten bei den Wahlen im vergangenen Juni der Einzug ins griechische Parlament - mit 18 Abgeordneten (von insgesamt 300). Aus der marginalen Organisation, die 2009 noch knapp 20 000 Stimmen sammeln konnte, ist eine Massenpartei mit über 425 000 Wählern geworden. Und ihr Anhang nimmt zu. Aktuelle Umfragen sehen die Goldene Morgendämmerung gar bei elf Prozent. Besonders erschreckend ist, dass die Partei insbesondere bei der von über 57 Prozent Arbeitslosigkeit gegeißelten Jugend Zulauf findet. Einzige Reaktion der Regierung in Athen ist bisher eine Diskussion um ein Parteiverbot.

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