Niedriglöhne und Rentenkürzung

Betriebs- und Personalräte kritisieren Arbeitsmarkt- sowie Sozialpolitik der Bundesregierung

  • Anja Krüger, Köln
  • Lesedauer: 3 Min.
Altersarmut und Tarifkürzungen - auf der Betriebsrätekonferenz der LINKEN ging es um große soziale Fragen.

Die Beschäftigten im Einzelhandel verdienen ohnehin schlecht. In der aktuellen Tarifrunde wollen die Arbeitgeber aber auch noch Zulagen streichen und ans Weihnachts- und Urlaubsgeld. Setzen sie sich durch, wird das fatale Folgen haben, warnt die stellvertretende Betriebsrätin von Ikea Köln, Regina Ensel. »Wenn wir nicht mehr Lohn und Geld bekommen und der Manteltarifvertrag verbessert wird, werden wir in die Altersarmut abdriften«, sagte sie bei der Konferenz »Gute Löhne, gute Arbeit, gute Rente« am Dienstag in Köln. Rund 60 Betriebs- und Personalräte waren der Einladung der Linksfraktion im Bundestag gefolgt, um über Arbeitsmarkt- und Rentenpolitik zu diskutieren.

»Renten sind Löhne, die später zum Tragen kommen«, sagt Axel Gerntke vom IG-Metall-Vorstand. Die rot-grüne Bundesregierung hat Anfang des Jahrtausends mit der Kürzung der Rentenansprüche dafür gesorgt, dass viele Menschen im Alter kein ausreichendes Einkommen haben werden. »Ein Durchschnittsverdiener mit 2600 Euro brutto kann mit Altersarmut rechnen«, so Gerntke. Doch ein Durchschnittsverdienst ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr. In vielen Branchen, etwa der Ernährungsindustrie, ist Deutschland zum Billiglohnland geworden, Leiharbeit und Werkvertragsarbeitsverhältnisse sind die Regel. Im Einzelhandel werden Vollzeit- in Teilzeitjobs gesplittet, berichtete Ikea-Betriebsrätin Ensel.

Die LINKE fordert Maßnahmen gegen Altersarmut, zum Beispiel die Rücknahme der Rente mit 67 und der Kürzungen von 2001. »In den Grundzügen sind die Gewerkschaften und die LINKE sich einig«, so Gerntke. »Auch wenn das in den Gewerkschaften nicht jeder gerne hören mag.« Abgeordnete wie Ulla Lötzer oder Matthias Birkwald bemühen sich um einen engen Draht zu den Gewerkschaften und tragen viele Anliegen in den Bundestag. Das reicht aber nicht, weiß Birkwald: »Nur wenn wir parlamentarisch und außerparlamentarisch Druck machen, werden wir etwas verändern«, sagte er. »Wir brauchen Gespräche in den Betrieben, unter den Kollegen, in den Gewerkschaften.«

Doch dort haben, zumindest in Nordrhein-Westfalen, die Sozialdemokraten die Oberhand. Diese Erfahrung macht Josef Filippek, Vorsitzender des Personalrats der Stadt Lüdenscheid, immer wieder. »Die Leute vor Ort haben eine große Glaubwürdigkeit für die Kollegen«, sagt er. »Die SPD versteht es, von ihrer Vergangenheit abzulenken.« So gälten die Sozialdemokraten als die Partei, die für einen gesetzlichen Mindestlohn stehe. Zahlenmäßig kann die LINKE mit ihren knapp 7000 Mitgliedern mit den Sozialdemokraten in den Betrieben schlecht mithalten, sagt die Landessprecherin der Linkspartei, Gunhild Böth. Die SPD hat im Land rund 120 000 Mitglieder mehr.

In NRW gab es von 2010 bis 2012 eine rot-grüne Minderheitsregierung. Währenddessen setzte die LINKE im Landtag durch, dass Personalräte mehr Entscheidungsspielräume etwa bei der Arbeitsplatzbeschreibung haben. Bei den Neuwahlen im Mai 2012 scheiterte die LINKE an der Fünf-Prozent-Hürde. Jetzt wird NRW rot-grün regiert. »Betriebsräte und Gewerkschaften merken, dass der Druck von links fehlt«, so Böth. So will die Regierung den Tarifabschluss für die Landesbeschäftigten nicht auf Beamte übertragen. Das sorgt für Ärger: »Die Gewerkschaften bedauern, dass sie uns bei den Landtagswahlen nicht offensiv unterstützt haben«, glaubt Böth.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal