Virtuelles West-Ost-Gefälle

Online-Angebote aus dem Rathaus halten nicht immer, was sie versprechen

  • Harald Lachmann
  • Lesedauer: 4 Min.
Obwohl ostdeutsche Städte in Sachen eGovernment - also elektronische Verwaltungsdienstleistungen - seit Jahren punktuell immer wieder bundesweite Akzente setzen, sieht es hier insgesamt mit dem Online-Service im Rathaus noch bescheiden aus.

Logisch wäre es nicht, dass der Osten bei neuen Verwaltungsprozessen, die erst viele Jahre nach der Einheit einsetzten, im Hintertreffen liegt. Und selbst wenn dies im Moment so scheint, muss man schon genauer hinschauen. Immerhin stufte die branchenübergreifende »Initiative D21« - ihr Ziel ist das Voranbringen der Informationsgesellschaft im Lande - schon 2003 das Internetangebot von Magdeburg als das »nutzerfreundlichste« im Lande ein. Zuvor hatte das Netzwerk hierzu 82 deutsche Großstädte gecheckt.

Leipziger Marktplatz für eGovernment

Zehn Jahre später ist es nun Brandenburg, das in Sachen eGovernment national Akzente setzt. Als erstes Bundesland orientiert man sich in Potsdam bei der Modernisierung der Standards zum Einsatz von Informationstechnologie (IT) durchweg an »SAGA de.bund«, also dem Rahmenwerk der Bundesverwaltung: Ein Schritt, den die anderen Länder genau verfolgen. Und auch der wichtigste Marktplatz, auf dem Kommunalexperten hierüber fachsimpeln, befindet sich im Osten. Denn Anfang Juni richtet die dbb akademie in Leipzig ihren 14. Kongress »neueVerwaltung« aus, abgerundet durch eine eGovernment-Fachmesse. Es ist das größte Symposium seiner Art im deutschsprachigen Raum. Leipzigs Hauptamtsleiter Dr. Christian Aegerter agiert überdies seit Jahren schon als Sprecher des Arbeitskreises »Organisation und eVerwaltungsdienste« beim Deutschen Städtetag.

Und doch finden sich weder Magdeburg noch Potsdam noch Leipzig unter den Top 10 der deutschen Großstädte, die im Herbst 2012 die Unternehmensberatung McKinsey in ihrer Studie »Die kommunale E-Government-Landschaft in Deutschland« ermittelte. Hierfür hatte man sich in 200 Städten umgetan. Zu den »Vorreitern«, sprich: Kommunen mit wenigstens vier bis fünf Online-Services, erkor man Berlin vor Hamburg, Nürnberg, Bonn und Düsseldorf. Dagegen finden sich die ostdeutschen Großstädte Cottbus, Dresden, Erfurt und Leipzig nur im »Mittelfeld« wieder - sie bringen es immerhin auf zwei bis drei Internetdienstleistungen. In dieser Gruppe entdeckt man indes auch einige mittlere Oststädte wie das sächsische Torgau oder Neuruppin und Forst in Brandenburg. Dagegen gelten jedoch andere ostdeutsche Zentren wie Halle, Jena, Magdeburg oder Potsdam mit allenfalls einem virtuellen Angebot als »Nachzügler«.

Auch im Länderranking signalisieren die Städte in Thüringen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg noch erheblichen Nachholbedarf. Mecklenburg-Vorpommern ist gar Schlusslicht: Kaum einer der hier untersuchten Orte bot mehr als eine Online-Offerte an. Doch erneut ist hier ein zweiter, tiefer lotender Blick angebracht. So legte Halle/Saale bereits 2010 als erste ostdeutsche Großstadt gemeinsam mit der IHK Halle-Dessau und der Hochschule Harz einen eGovernment-Atlas für die Wirtschaft auf. So etwas gab es bis dahin nur in Hamburg sowie - man staune - im Land Brandenburg.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern agiert bereits seit 2006 ein Zweckverband Elektronische Verwaltung (eGo-MV) als zentraler Partner rund um das kommunale eGovernment. Zu dessen wichtigsten Aufgaben gehört es, den Rathäusern »in Anbetracht der leeren Kassen«, so Verbandschef Bernd Anders, »IT-Infrastrukturen, IT-Verfahren und den IT-Betrieb wirtschaftlich und somit kostengünstig bereit zu stellen«. Und offenbar hakte es im Osten gerade hier lange: Es fehlte etwa an Breitbandinternet sowie ebenso leistungsfähiger wie sicherer Software - und halt den Mitteln dafür. Doch zumindest sei auch in Mecklenburg-Vorpommern »eine fast flächendeckende Mindestversorgung mit 2 Mbit pro Anschluss erreicht«, so Anders.

Als der IT-Planungsrat von Bund und Ländern 2010 seine eGovernment-Strategie für Deutschland beschloss, erkor er bewusst die Kommunen als Mittler aus. Ihnen käme wegen ihrer »Bürgernähe eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung von Onlineangeboten« zu, hieß es. Doch bis heute bleiben Zweifel, ob die Menschen wirklich jene anonymen Angebote wünschen.

Nicht immer ist der Nutzen offenkundig

Während etwa Sachsens Verwaltungsakademie in Meißen schon vor Jahren wegen großer Nachfrage Sonderseminare für das Service-Portal »Amt24« anberaumte, ist der Effekt doch eher noch gering. Es fehlt an Akzeptanz und Einsicht in den Nutzen. Wer etwa in Leipzig einen Ausweis oder Führerschein beantragt hat, liest auf der städtischen Internetseite, dass er den Bearbeitungsstand über »ein sogenanntes E-Government-Tool« erkunden kann. Dann ist von Dokumentennummer, Eingabemaske, Statusanzeige die Rede. Hat er sich endlich durchgehangelt, erfährt er indes auch nur, dass er nun selbst noch aufs Bürgeramt kommen muss. Aber das ist nun schon kein ostdeutsches Spezifikum mehr.

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