- Kultur
- Person
Theaterretter
Sewan Latchinian verlässt die Neue Bühne Senftenberg
Sewan Latchinian, bislang noch Intendant der Neuen Bühne Senftenberg, wechselt am 1. September 2014 als künstlerischer Geschäftsführer zum Rostocker Volkstheater. Auf den ersten Blick sieht es so aus, als sei dies kaum eine Meldung wert. Der Chef einer Provinzbühne geht zu einem Theater, das auch nicht in der Oberliga deutscher Theater mitspielen kann, weil es ums Überleben kämpfen muss. Doch Latchinian ist ein besonderer Typ, der mit einem knappen Budget Erstaunliches leitete, ein Theaterretter. Den können sie in Rostock gut gebrauchen. Er selbst nennt das Volkstheater einen »Tanker in akuter Seenot«.
1961 wurde Latchinian in Leipzig geboren. Die Großeltern sind im Ersten Weltkrieg vor dem Völkermord an den Armeniern nach Beirut geflohen. Der Vater verliebte sich in eine Frau aus der DDR und zog dorthin. Sewan Latchinian studierte Schauspiel. 2004 begann er als Intendant und als Regisseur in Senftenberg. Bereits 2005 wählten Kritiker die Neue Bühne zum Theater des Jahres - neben Deutschem Theater Berlin, Schauspielhaus Hamburg und Kammerspiele München!
Die Neue Bühne, 1946 in der Bergarbeiterstadt gegründet, hatte zu DDR-Zeiten einen Namen. Schauspieler wie Angelica Domröse und Armin Mueller-Stahl traten hier auf, bevor sie groß herauskamen. Doch nach der Wende ging es mit der Braunkohlewirtschaft bergab. Das Revier leidet unter Arbeitslosigkeit. Die Jugend ist weggezogen. Es ist so, wie überall im Osten, nur schlimmer. Dem Theater fehlte seitdem immer Geld - mit insgesamt 4,3 Millionen Euro von Stadt, Land und Kreis müssen die 103 Mitarbeiter aktuell auskommen -, aber es hat sich gehalten. Latchinian wagte Experimente, bliebt dabei aber nah an den Problemen des Publikums. Auch als Stimme für soziale Gerechtigkeit war er vernehmbar.
Nach ihm werden sich nur die Besten bewerben können, findet der Landtagsabgeordnete Gerd-Rüdiger Hoffmann (LINKE). Latchinian freut sich auf die neue Aufgabe, sieht aber das Risiko, nie wieder so glückliche Zeiten erleben zu können wie in Senftenberg.
Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.