NSU-Verfahren: Wieder über Inhalte reden

Bündnis kündigt Demo an, Presseplatz-Debatte geht weiter

  • René Heilig
  • Lesedauer: 3 Min.
Der NSU-Prozess gegen die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe und vier Helfer soll am Montag vor dem Münchner Oberlandesgericht (OLG) beginnen. Noch aber gibt es vor allem Debatten um Arbeitsmöglichkeiten von Journalisten.

Am Donnerstagnachmittag musste abermals das Los entscheiden. Nach einer erneuten Panne bei der Akkreditierung galt es, einen der insgesamt 50 Presseplätze neu zu vergeben. Gezogen wurde der Antrag des freien Journalisten Oliver Renn.

Im anhaltenden Streit um die Vergabe der Presseplätze ist indessen ein weiterer Journalist vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert. Die Karlsruher Richter nahmen die Beschwerde nicht zur Entscheidung an. Sie sei unbegründet, weil Grundrechte des Beschwerdeführers nicht verletzt seien.

Der freie Journalist Martin Lejeune hatte im ersten Vergabeverfahren einen garantierten Sitzplatz im NSU-Prozess bekommen, war bei der folgenden Verlosung der Plätze am vergangenen Montag aber leer ausgegangen. Bereits am Mittwoch hatte das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde eines Kollegen abgewiesen. Sein Recht »auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb« sei nicht verletzt.

Ursprünglich hatten verschiedene Medien über eine Klage gegen das zweite Akkretierungsverfahren nachgedacht, bei denen sie - wie »neues deutschland«, das zunächst akkreditiert war - ohne Losglück blieben. Die »Welt«-Gruppe, »Die Zeit« und die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« verzichten jedoch auf Klagen, damit der Prozess am Montag beginnen kann. Auch »nd« visiert - statt zu klagen - vom Gericht angeregte Kooperationen zur Berichterstattung an. Strittig ist weiter die Entscheidung des OLG, keine Videoübertragung des Prozesses in einen anderen Saal des Gerichtsgebäudes zuzulassen. Paragraf 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes bestimmt, dass »Ton- und Filmaufnahmen zum Zwecke der öffentlichen Vorführung oder Veröffentlichung ihres Inhalts« unzulässig sind. Ob das für eine Überspielung des Geschehens in einen Raum gilt, in dem nur akkreditierte Journalisten sitzen, ist fraglich.

Ein Anspruch auf Bild- und Tonübertragung lasse sich aus dem Grundrecht der Pressefreiheit nicht herleiten, hatten die Verfassungsrichter am Mittwoch entschieden. Dem schließt sich der einstige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, an, meint jedoch, eine Entscheidung pro Videoübertragung wäre eine »Frage der pragmatischen Klugheit«.

Yavuz Sekim Narin, ein Anwalt der Nebenklage, hat das Gericht derweil mit dem Antrag konfrontiert, die Besetzung der Plätze für die Angehörigen der Opfer weniger restriktiv zu handhaben. Sollten einige der Hinterbliebenen nicht die Kraft haben, dem Verfahren zu folgen, will Narin deren Plätze an Angehörige oder Journalisten und andere Vertreter der Öffentlichkeit vergeben wissen. Narin machte gegenüber »nd« darauf aufmerksam, dass die Ehefrau des angeklagten NSU-Unterstützers Ralf Wohlleben mit Beschluss vom 11. April als Beistand beigeordnet wurde.

Eine Platzreservierung für Vertreter der Türkei hatte das Gericht abgelehnt. Dennoch wird der Menschenrechtsausschuss des türkischen Parlamentes vier Mitglieder zur Beobachtung des Prozesses nach München entsenden.

»Es ist an der Zeit, wieder über Inhalte zu reden - es geht um Nazis, die über Jahre hinweg aus rassistischen Motiven zehn Menschen töteten, um Behörden, die das hätten verhindern können, und um Rassismus«, erklärte Thomas Spree vom »Bündnis gegen Naziterror und Rassismus«. Zum Auftakt des NSU-Prozesses ruft das Bündnis wie andere zu Protesten vor dem Gericht auf.

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