Vom Zöllner, der die Sektlaune verdarb

  • Lesedauer: 3 Min.

Karlovy Vary gehört zu den Orten, die ich mehrmals zu Kuraufenthalten besuchte und wo ich gute Freunde habe. Außerdem bringe ich von diesen Aufenthalten gern etwas für Mitmenschen mit, um ihnen eine Freude zu bereiten. Dabei wird es zunehmend schwieriger, das Passende zu finden. Ein Geschenk von mir fand immer großen Anklang: Krimsekt in besonders großen Flaschen. Den kenne ich noch von meiner Tätigkeit an der Erdgastrasse in der Sowjetunion.

Einmal hatte ich im Kofferraum meines Pkw aber mehr dieser begehrten Sektflaschen, als es der deutsche Zoll erlaubt. Obwohl oder weil ich um die Mittagszeit an einem strahlend schönen Sonntag mit blauem Postkartenhimmel an der tschechisch-deutschen Grenze Bozi-Dar / Oberwiesenthal der einzige Autofahrer war, wurde ich kontrolliert. Ich verneinte im Dialog mit dem jungen deutschen Zollbeamten, mehr mitzuhaben, als erlaubt ist. An Stelle des von mir erwartenden »Gute Weiterreise« durfte ich rechts zur Kontrolle heranfahren und den Kofferraum öffnen. Das ging mir natürlich voll gegen den Strich. Ich wurde immer aufgeregter und der Zöllner immer ruhiger. Irgendwie war mir klar, gegen ihn keine Chance zu haben. Da kam mir meine scheinbar rettende Idee. Auf meine Frage, wo geschrieben steht, wie viel Sekt man einführen darf, holte er einen grünen Flyer, der sicher schon durch viele Hände gegangen war, mit der Unterschrift von Finanzminister Theo Waigel. Ich wollte unbedingt in die Offensive gehen und sagte: »Waigel ist nicht mehr Finanzminister«. Mir entgegnete der dienstbeflissene Zöllner, das sei ihm nicht bekannt, er müsse sich bei seinem Vorgesetzten erkundigen.

Nach zehn, endlos erscheinenden Minuten Wartens zurückgekehrt, erklärte mir der Beamte in Grün: Was im Flyer steht, auch wenn ich in Sachen Waigel recht hätte, sei trotzdem gültig. Danach fiel mir, was selten passiert, nichts mehr ein. Besonders langsam erstellte der Zöllner sein Protokoll. Ich habe das Doppelte, von dem, was der Sekt gekostet hatte, an Zollgebühren bezahlen müssen.

Übrigens: Nach meiner selbst verschuldeten Zahlaktion bin ich oft über den besagten Grenzübergang gefahren. Mehrmals hatte der Beamte Dienst, der mich kontrolliert hatte. Seine Mimik bei meinem Anblick verriet mir stets, wir verstehen uns jetzt blind und das ohne Kontrollen. Vielleicht auch deshalb, weil ich »meinem Zöllner« bei einem dieser Grenzübertritte - so lange es die Grenzkontrollen noch gab - eines meiner selbst verfassten Miniaturbücher mit »seiner Geschichte« schenkte. Eigentlich hätte er das nicht annehmen dürfen. Aber, das wäre dann schon eine andere Episode. Und heute gehört »mein Zöllner« zu den Freunden meiner Miniaturbücher. Glück gehabt!

Erik Rohrbach, 15236 Frankfurt (Oder)

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