Volksaktie und Lügendetektor

Deutsche Post feiert sich auf Hauptversammlung / Gewerkschafter werden drangsaliert

  • Hans-Gerd Öfinger, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 3 Min.
Während der Post-Chef die Erfolge seines Konzerns lobte, protestierten am Mittwoch Kleinaktionäre und Gewerkschafter gegen die Firmenpolitik.

Zwei Welten trafen am Mittwoch im verregneten Frankfurt aufeinander. Als sich Scharen von Kleinaktionären der Deutschen Post DHL erwartungsvoll der Jahrhunderthalle näherten, wo Konzernchef Frank Appel bei der Hauptversammlung eine heile Welt in einem wachsenden und profitablen Weltkonzern präsentierte, drückten ihnen ver.di-Aktivisten kritische Flugblätter in die Hand. Stein des Anstoßes: der fragwürdige Umgang mit den Beschäftigten beim türkischen DHL-Ableger.

Aus Istanbul angereiste Gewerkschafter, die den türkischen DHL-Chefs eine Verletzung demokratischer und gewerkschaftlicher Rechte vorwerfen, mussten draußen bleiben, denn sie besitzen keine Postaktien. Sie versammelten sich in einer Imbissbude und schilderten Journalisten ihre Erfahrungen. So auch Aysel Simsek, die nach vier Jahren Beschäftigung bei DHL in Istanbul Anfang Februar fristlos gekündigt wurde. »Ich war für Verpackung und Preisauszeichnung zuständig, liebte meinen Job und war stolz darauf«, blickt sie wehmütig zurück. »Ich wurde entlassen, weil ich mich für das grundlegende Menschenrecht auf Gewerkschaftszugehörigkeit eingesetzt habe.«

Simsek engagiert sich in der Gewerkschaft Tümtis. Außer ihr setzte das DHL-Management weitere 35 Mitglieder auf die Straße, so Tümtis-Sprecher Gurel Yilmaz. Auch sie hätten sich gegen Nie-driglöhne und menschenunwürdige, extrem flexible Arbeitsbedingungen zur Wehr gesetzt. So gehörten unbezahlte Überstunden, ungeregelte Arbeitszeiten und willkürlicher Personaleinsatz zum Alltag, berichtet Yilmaz. Jahrelang habe die Geschäftsleitung Beschwerden ignoriert. Die Gewerkschafter werfen den Managern eine systematische Strategie zur Zerschlagung ihrer Gewerkschaft und zum parallelen Aufbau einer unternehmer- und regierungsnahen Scheingewerkschaft vor. So wolle DHL den für die Aufnahme von Tarifverhandlungen erforderlichen Gewerkschaftsorganisationsgrad verhindern. »Mir wurde eine Lohnerhöhung angeboten, wenn ich aus Tümtis ausgetreten wäre«, berichtet Aysel Simsek. »Dazu war ich nicht bereit.«

Für solche Misstöne war in der Rede von Post-Chef Appel kein Platz. Er verkündete eine Ausschüttung von 70 Cent je Aktie, warf mit imposanten Wachstumszahlen um sich, sprach von »hoher Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit« und »Mitarbeiterorientierung als Schlüssel für den Erfolg«. Sichtbares Zeichen für die »lebende Verantwortlichkeit« sei zum Beispiel die Partnerschaft mit SOS-Kinderdörfern in Jordanien. Dem Konzern sei es gelungen, souverän durch die Finanz- und Wirtschaftskrise zu navigieren, so Appel stolz.

Dass dabei nicht nur in der Türkei selbstbewusste Gewerkschafter über Bord gegangen sind und die »Verpflichtung zur Gewährung von Vereinigungsfreiheit und Arbeitnehmerrechten zu wünschen übrig lässt«, kritisierte Gewerkschafterin Cornelia Broos. So setzten DHL-Manager in Kolumbien, Panama oder Südafrika Lügendetektoren gegen Beschäftigte ein; Konzerntöchter in Malaysia, Indonesien und Indien griffen auf Leiharbeiter zurück. »Die Deutsche Post DHL hat es nicht nötig, das unterste Maß zum Maß der Dinge zu erheben«, so Broos.

»Wir sind auf dem Weg zur erfolgreichen Volksaktie«, freute sich hingegen Appel über den 11,9-Prozent Anteil von Kleinaktionären. Institutionelle Anleger halten rund zwei Drittel, der Anteil der bundeseigenen KfW-Bankengruppe ist währenddessen unter die Sperrminorität von 25 Prozent gesunken. Die Deutsche Post DHL will durch eine aggressive Expansion ihre Position als »weltweit führender Logistikkonzern« ausbauen. Als neue Inlandsmärkte hat der Konzern nun den Internethandel und den Busfernverkehr im Blick.

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