Wenn sich Papa ärgert und Mama freut

Sabine Koppelberg: Verkaufszahlen für Kinder-Brettspiele steigen trotz starker Konkurrenz durch Computerspiele

  • Udo Bartsch
  • Lesedauer: 3 Min.
Am 10. Juni zeichnet die achtköpfige unabhängige Kritikerjury das diesjährige »Kinderspiel des Jahres« aus. Zum 13. Mal. Drei Spiele sind nominiert: »Der verzauberte Turm« (Drei Magier Spiele), »Gold am Orinoko« (Haba) und »Mucca Pazza« (Zoch). Der Gewinner darf sich über Verkaufszahlen von 200 000 Stück und mehr freuen. Sabine Koppelberg (43) aus Odenthal bei Köln ist die Koordinatorin der Jury.

nd: Was ist das Ziel Ihres Preises?
Koppelberg: Wir wollen Familien eine Orientierung geben, welche Kinderspiele wirklich etwas Besonderes bieten: Dabei geht es um neue Spielideen, aber auch um eine attraktive Gestaltung, die Haltbarkeit des Materials und die Verständlichkeit der Spielregeln.

Das »Kinderspiel des Jahres« gibt es seit 2001. Warum erst so kurz?
In den Jahren davor hat die Jury »Spiel des Jahres« jährlich einen »Sonderpreis Kinderspiel« verliehen. Der Markt für Kinderspiele wurde währenddessen immer größer. Deshalb hat der Kritikerverein 2001 eine separate Expertenjury nur für das Kinderspiel einberufen.

Wir leben im Computerzeitalter - und die Zahl der Kinderspiele steigt? Das klingt paradox.
Die Zahl der Kinder sinkt zwar, aber Familien geben heute mehr Geld für Spielzeug aus. Die Großeltern haben mehr Zeit für ihre Enkel. Und Eltern sehen das Spiel immer mehr als Mittel zur Frühförderung an, also um Farben zu lernen oder Motorik zu üben. Deshalb erscheinen zunehmend Spiele auch schon für die Allerkleinsten.

Also spielt man gar nicht, um zu spielen, sondern um zu lernen?
Wenn auf einer Schachtel »Lernspiel« steht, haben die Kinder oft schon keine Lust mehr. Das Wichtigste am Spiel ist der gemeinsame Spaß, alles andere ergibt sich später wie von selbst. Denn eigentlich lernen Kinder bei jedem Brettspiel etwas.

Wie wirkt sich die Konkurrenz der digitalen Medien aus?
Computerspiele gibt es heute in fast jedem Haushalt. Und nicht nur die Kinder sitzen vor dem Bildschirm, auch die Eltern selbst. Für ein Brettspiel müssen sich die Familien bewusst Zeit nehmen. Geschieht das, finden Kinder ein klassisches Brettspiel genauso reizvoll wie ein Computerspiel.

Woran liegt es, dass das Brettspiel gegenüber dem Computerspiel besteht?
Gerade das Analoge ist die Stärke des Brettspiels: die haptische Erfahrung mit dem Spielmaterial, die Kommunikation am Tisch. Kinder und Erwachsene spielen als gleichberechtigte Partner auf Augenhöhe. Kinder erleben ganz direkt, wie Papa sich ärgert oder Mama sich über ihren Sieg freut. Diese persönliche Ebene bietet kein anderes Medium. Brettspiele sind deshalb einzigartig und unersetzbar.

Spielen Kinder heute anders als noch vor zehn, zwanzig Jahren?
Viele Kinder haben weniger freie Zeit zum Spielen. Sie sind länger in Kita oder Schule, sie sind ganztägig verplant. Und sie spielen oft intuitiver und wollen ohne große Regelerklärung sofort einsteigen. Das kennen sie so von den Computerspielen - aber bei den Brettspielen geht das nicht.

Wie sehen Sie die Zukunft des Brettspiels?
Momentan arbeiten die Verlage daran, die Einstiegshürde der Spielregeln zu verringern, zum Beispiel indem ein elektronisches Element die Regeln erklärt. Das kann sinnvoll sein. Ich glaube aber, man braucht nicht unbedingt Elektronik, um Kinder an den Spieltisch zu locken. Die Verkaufszahlen für Kinderspiele sind seit Jahren stabil bis steigend.

Gespräch: Udo Bartsch

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