Neuer Gen-Mais für Europa?

EU-Kommission berät über Monsanto-Produkt / Kritiker protestieren

  • Kay Wagner, Brüssel
  • Lesedauer: 3 Min.
Über die Zulassung einer neuen Gen-Mais-Sorte in Europa wird am Dienstag die EU-Kommission in Brüssel beraten. Bei der Sorte handelt es sich um SmartStax, ein Produkt, das die US-amerikanischen Firmen Monsanto und Dow AgroScience entwickelt haben. Die Zulassung in Europa ist umstritten.

Kritiker sagen, SmartStax sei nicht ausreichend auf seine Auswirkungen auf die Natur und die Gesundheit der Menschen untersucht worden. Die EU-Agentur für Lebensmittelsicherheit (EFSA) dagegen hatte den neuen Gen-Mais 2010 als unbedenklich freigegeben.

SmartStax produziert laut Angaben des Münchner Vereins Testbiotech sechs verschiedene Insektengifte und ist gegen zwei Unkrautvernichtungsmittel resistent. Einer der sechs Giftstoffe, Cry1A105, soll künstlich aus verschiedenen Insektengiften entwickelt worden sein. In der Natur finden sich keine entsprechenden Varianten des Gifts. Der gentechnisch veränderte Mais sei außerdem viel zu kurz und nicht umfassend genug bei der Fütterung an Tieren getestet worden. Testbiotech ist deshalb gegen die Zulassung von SmartStax in Europa. Die EU solle das Zulassungsverfahren sofort stoppen und neue Risikobewertungen veranlassen. Zusätzlich müssten wirksame Maßnahmen gegen Importe nach Europa beschlossen werden. Denn Testbiotech geht davon aus, dass SmartStax bereits 2012 auf den europäischen Markt gelangt ist - illegal, weil die EU die Sorte ja noch nicht zugelassen hat. »Doch anstatt die illegalen Importe zu stoppen, will die Kommission jetzt offensichtlich die Flucht nach vorn antreten und den Mais legalisieren«, sagt Testbiotech-Geschäftsführer Christoph Then.

Aufgeheizt wird die Diskussion um den neuen Gen-Mais durch Meldungen zu einem seiner Produzenten, Monsanto. Das US-amerikanische Unternehmen wolle sich aus Europa zurückziehen, hatte es Ende Mai in verschiedenen Zeitungen geheißen. Die Beiträge berufen sich auf Äußerungen des Monsanto-Europa-Sprechers über den geringen Erfolg des bisher zugelassenen Gen-Mais von Monsanto, MON 810. Seit 1998 darf er in der EU angebaut werden. Doch nur in Spanien und Portugal ist er ein wirtschaftlicher Erfolg mit wachsendem Anteil an der Mais-Produktion. In Tschechien, der Slowakei und Rumänien, wo der Mais ebenfalls verwendet wird, ist die Tendenz auf sowieso schon niedrigem Niveau rückläufig. Nach anfänglicher Zulassung verbot Bundesernährungsministerin Ilse Aigner (CSU) 2009 in Deutschland den Anbau von MON 810.

Diesem relativen Misserfolg wolle man Rechnung tragen, so der Monsanto-Sprecher. Es habe keinen Sinn, gegen den Widerstand vieler Europäer den Anbau von Gen-Mais durchzusetzen und weiter Geld in europäische Tests mit MON 810 zu stecken. Allerdings, so betont Monsanto in Pressemeldungen, werde man den Gen-Mais sehr wohl weiter in Europa verkaufen wollen, sich um Importmöglichkeiten und die Zulassung von neuen gentechnisch veränderten Pflanzen durch die EU bemühen. Ein Rückzug aus Europa sei nicht geplant. Es ist eher ein Warten auf bessere Zeiten, ein durchaus aktives Warten. Denn laut Angaben des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wird die Beratung über SmartStax am Dienstag kein Einzelfall bei der EU bleiben. Zurzeit seien in der EU 14 gentechnisch veränderte Pflanzen von verschiedenen Unternehmen in der Warteschleife auf ihre Zulassung in Europa. Außerdem lägen für 46 Pflanzen Anträge auf ihren Import als Lebens- und Futtermittel vor.

Die Kommission entscheidet am Dienstag abgeschirmt von der Öffentlichkeit mit Vertretern der EU-Mitgliedsstaaten über die EU-Zukunft von SmartStax. Testbiotech hat E-Mail-Aktionen an den zuständigen EU-Kommissar Tonio Borg und Bundesministerin Aigner gestartet, um die Zulassung zu verhindern.

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