Tarak ist es nicht

Ein Jahr nach Herbert Dreilichs Tod: Ende des Kapitels Karat

  • Martin Hatzius
  • Lesedauer: 3 Min.
Der 25. November 2005, ein Freitag, begann vielversprechend für Karat-Fans. Das Jubliäums-Doppelalbum »30 Jahre Karat« kam in die Musikgeschäfte, und in Suhl wurde die Gruppe von der Zeitschrift »Super illu« mit einer goldenen Platte geehrt: Ihr Ohrwurm »Über sieben Brücken« war von der Leserschaft auf Platz zwei der »größten Ost-Hits aller Zeiten« gewählt worden. Doch der 25. November 2005 wurde ein Unglückstag. Auf der Autobahn nach Suhl prallte Bernd Römer gegen die Leitplanke: Totalschaden am Auto, der Gitarrist erlitt »nur« einen Schock. Noch am selben Tag bestätigte die Band per Presseerklärung Informationen über ihren Streit mit der Witwe des am 12. Dezember 2004 gestorbenen Sängers Herbert Dreilich. Fazit: Susanne Dreilich hat Karat dazu aufgefordert, ab 1. Januar 2006 den Bandnamen nicht mehr zu verwenden. Ihr Mann hatte, ohne das Wissen seiner Mitmusiker, 1998 den Namen zu seinen Gunsten ins Markenregister eintragen lassen. Susanne Dreilich erbte die Rechte. »Eine streitige Auseinandersetzung um das Schicksal des Namens Karat ist nun nicht mehr zu verhindern«, heißt es in der Presseerklärung. Da ein solcher Rechtsstreit einige Zeit beanspruchen kann, wird die Band wohl zumindest zeitweilig unter anderem Namen auftreten müssen. Denn die für Anfang 2006 angekündigte Tour soll in jedem Fall stattfinden. Laut Karat-Managagerin Adelheid Walter steht der neue Name bereits fest, soll aber erst auf dem Abschiedskonzert in Rostock am 29. Dezember bekanntgegeben werden. Wenn es nach den Fans geht, soll Karat Karat bleiben, auf die Schreibweise kommt es da nicht so sehr an. Einem Aufruf des »Berliner Kuriers«, Alternativen vorzuschlagen, reagierten etliche Leser mit immer ähnlichen Vorschlägen: Carat, Karrat, Charad oder Tarak (Karat rückwärts). Wie auch immer man es dreht und wendet, Tarak ist nicht Karat. Die Frage, die dem Streit zugrunde liegt, ist ohnehin eine andere: Ist Karat ohne Herbert Dreilich noch Karat? Nach dem Tode des Musikers, der die Band 1975 als Gitarrist mitgründete und zwei Jahr später nach dem Ausstieg von Hans Joachim Neumann den Gesang übernahm, trat Claudius Dreilich in die Fußstapfen des Vaters. Zwar war der Sohn aus zweiter Ehe kein Profimusiker, sondern Manager einer schwedischen Möbelkette, aber Claudius rechtfertigte seinen Einstieg mit der engen Bindung zur Band und ihrer Musik. Seine Stimme klingt gut, und sein Aussehen erinnert an den Vater. Obwohl beide schon gemeinsam auf der Bühne gestanden haben, soll Herbert Dreilich aber strikt dagegen gewesen sein, dass Claudius seine Rolle übernimmt. Vielleicht ist das ein Grund, warum Herbert Dreilichs dritte Ehefrau der Band nun den Namen streitig macht. Kann sie mit den Erfolgen, die Karat mit Claudius am Mikrofon feiert, nicht umgehen? Susanne Dreilich selbst gibt der unnachgiebigen Managerin die Schuld: »Frau Walter verlangte von mir den kompletten Verzicht auf die Marke Karat und damit faktisch die Löschung des Namens Herbert Dreilich für alle Zeiten. Dieses konnte und wollte ich im Angedenken meines Mannes, der seit 1986 die Band musikalisch geprägt hatte, nicht akzeptieren.« Dreißig Jahre nach seinem Beginn scheint das Kapitel Karat beendet zu sein. Das Album zum Band-Jubiläum wirkt nun ungewollt versöhnlich: Eine Best-Of-CD und eine Platte mit bislang unveröffentlichten Herbert-Dreilich-Songs vereint es in einer Hülle. »Der blaue Planet«, »Über sieben Brücken«, »Albatros«, »Schwanenkönig« und andere Hits stehen dicht neben feinfühligen, wehmütigen, lebensbejahenden Songs des kranken Sängers, intoniert von ihm selbst und von Freunden: Peter Maffay, Petra Zieger, Thomas Natschinski. Basierend auf Demo-Tapes von Dreilich wurden diese Lieder aber nicht von Karat umgesetzt, sondern von Maffays Musikern und Produzenten. »Die Zeit spinnt neue Fäden«, heißt es in einem der Titel, »Ein Lächeln macht oft blind/ Täglich entsteht neues Leben/ Und geht wieder mit dem Wind.« Doppel-CD: »30 Jahre Karat« (Amiga/SonyBMG)
Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal