Bürgerversicherung statt Solidaritätsabbau

Es gibt Alternativen zum real existierenden Gesundheitswesen - Teil 12 der nd-Serie

  • Lesedauer: 3 Min.

»In ein paar Jahren wird das Gesundheitswesen unbezahlbar sein«, droht uns die veröffentlichte Meinung seit Jahren. Und warum? Es liegt angeblich am demografischen Wandel, am medizinisch-technischen Fortschritt, der Freibiermentalität der Patienten. Mit solchen »Argumenten« werden Privatisierungen im Gesundheitswesen als unumgänglich vorangetrieben; ärztliche Leistungen aus dem Katalog der gesetzlichen Krankenkassen gestrichen, Zuzahlungspflichten begründet. Derweil verdient nicht nur die Pharmaindustrie Unsummen. Doch wer kritisiert hier was und warum? Nadja Rakowitz wirft einen kritischen Blick auf das real existierende Gesundheitssystem - und zeigt, dass Alternativen sogar innerhalb kapitalistischer Verhältnisse möglich sind. Klarheit statt Mythen: hier täglich in einer nd-Reihe.

Ausweitung der Bürgerversicherung

Anstatt das Solidarprinzip der Gesetzlichen Krankenversicherung auszuhöhlen – durch pauschale Zusatzbeiträge oder gar die völlige Umstellung der Finanzierung auf eine Kopfpauschale oder auf Kapitaldeckung –, könnte die Ausweitung der Solidarität in Form einer Bürgerversicherung die Lösung zumindest der finanziellen Probleme des Gesundheitswesens sein. Es gilt aber, genau hinzuschauen, was damit gemeint ist.

Eine solidarische Bürgerversicherung funktioniert nur dann, wenn jeder Mensch im Land Mitglied wird; die private Krankenversicherung als Vollversicherung müsste abgeschafft und höchstens auf Zusatzversicherungen beschränkt werden. Das in Europa einzigartige Nebeneinander von gesetzlicher und privater Krankenversicherung hätte damit endlich ein Ende. Alle Einkommensarten müssten miteinbezogen werden: Alle Menschen zahlen entsprechend ihrem Einkommen aus Löhnen, Honoraren sowie Miet-, Pacht- und Kapitalerträgen in die Bürgerversicherung ein. Die Beitragsbemessungsgrenze müsste angehoben und tendenziell abgeschafft werden. Um Ungerechtigkeiten zu vermeiden, müssten Freibeträge eingeführt werden. Die Parität müsste wieder hergestellt werden: Die Unternehmen tragen die Hälfte der Beiträge ihrer Beschäftigten auf Löhne und Gehälter. Zuzahlungen, Zusatz- und Sonderbeiträge könnten abgeschafft werden.

Auch für die Pflegeversicherung ist das Prinzip der Bürgerversicherung geeignet, das System in Zukunft stabil zu finanzieren. So könnte der Beitragssatz der GKV von derzeit 15,5 Prozent auf 10,5 Prozent des Einkommens sinken. Auf Löhne und Gehälter sowie Renten müssten die Versicherten also nur noch einen Anteil von 5,25 Prozent statt derzeit 8,2 Prozent zahlen. In der Pflegeversicherung könnte der Beitragssatz sogar trotz Leistungsverbesserungen dauerhaft unter zwei Prozent gehalten werden.

Übrigens: Auch wenn die FDP und viele CDU/CSU-PolitikerInnen das schon fast für Sozialismus halten – es gibt in der EU ganz «normale» kapitalistische Länder wie Österreich, in denen es schon immer eine gesetzliche solidarische Krankenversicherung für alle gab und nach wie vor gibt.

Die von Dr. Nadja Rakowitz verfasste Broschüre „Gesundheit ist eine Ware. Mythen und Probleme des kommerzialisierten Gesundheitswesens“ ist in der Reihe »luxemburg argumente« erschienen und kann bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung bestellt werden.

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