Wahlplan soll Lage entspannen

Ägyptischer Übergangspräsident will Votum in den nächsten Monaten / Muslimbrüder mauern

  • Oliver Eberhardt, Kairo
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach der jüngsten Gewalteskalation in Ägypten, die über 50 Menschenleben forderte, hat Übergangspräsident Adli Mansur einen Plan für Neuwahlen vorgelegt. Am späten Montagabend stellte er ein Dekret vor, laut dem innerhalb von einem halben Jahr ein neues Parlament gewählt werden soll.

In Ägypten ist die Lage weiterhin unübersichtlich. Übergangspräsident Adli Mansur setzt auf baldige Neuwahlen - die allerdings von der Muslimbruderschaft abgelehnt werden. Viele Menschen hoffen derweil, dass der Beginn des Fastenmonats Ramadan etwas Ruhe bringen wird.

Am Dienstag ist die Lage in Kairo vergleichsweise ruhig. Vor der Al-Adawiya-Moschee in Nasr City wird auch an diesem Tag wieder gegen die Absetzung von Präsident Mohammed Mursi demonstriert, aber es sind weniger Menschen geworden, die sich hier versammelt haben.

Der Ramadan hat begonnen und bei vielen Menschen die Hoffnung geweckt, dass die innere Einkehr, die der muslimische Fastenmonat mit sich bringt, zu einer Entspannung führen wird. Nach Tagen der Eskalation ist bei den vielen Ägyptern, die nicht an den Protesten teilnehmen, die Konfliktmüdigkeit deutlich zu spüren. Es müsse endlich eine Lösung gefunden werden, ist immer wieder zu hören.

Doch eine Lösung ist zur Stunde nicht in Sicht. Ein neuer Regierungschef soll zwar gefunden sein: Staatliche Medien meldeten am Dienstagabend, der Ökonom und Sozialdemokrat Hazem al-Beblawi werde Chef der Übergangsregierung in Ägypten. Zugleich wurde der Friedensnobelpreisträger und liberale Politiker Mohammed al-Baradei zum Vizepräsidenten ernannt. Beblawi hatte von Juli bis Dezember 2011 das Amt des Finanzministers inne. Nach dem Sturz von Präsiden Husni Mubarak war er Mitbegründer der Ägyptischen Sozialdemokratischen Partei. Im Gespräch für das Premiersamt war zuvor auch Radwan Samir, der Anfang 2011 erster Finanzminister nach der Revolution wurde.

Doch auch die Ernennung eines Ministerpräsidenten dürfte den Konflikt nicht beilegen. Im Hintergrund dräut bereits Ärger um einen Zeitplan, den Mansur für die Überarbeitung der Verfassung und Neuwahlen vorgelegt hat. Demnach soll in vier Monaten ein Referendum über Änderungen an der erst im Jahr 2012 erarbeiteten und in der vergangenen Woche vom Militär ausgesetzten Verfassung stattfinden. Sollte das Referendum erfolgreich sein, sollen 15 Tage später zunächst Parlamentswahlen stattfinden und dann eine Woche nach der ersten Sitzung des Parlaments ein Präsident gewählt werden.

Unklar ist zurzeit, ob die Nur-Partei nun in der Übergangsregierung bleiben wird. Sie hatte ursprünglich nach dem Tod von mehr als 50 Demonstranten vor dem Hauptquartier der Republikanischen Garden am Montagmorgen ihren Rückzug erklärt.

Die Muslimbruderschaft lehnt den Plan ab, und auch die Tamarud-Bewegung äußerte sich kritisch. Man sei bei der Ausarbeitung von Verfassungsentwurf und Zeitplan nicht gefragt worden. Hauptkritikpunkt ist, neben der Ausarbeitung des Entwurfs im stillen Kämmerlein, vor allem, dass die Nur-Partei durchsetzte, dass ein kontroverser Artikel, der die Scharia, also islamisches Recht, zum Leitprinzip aller Gesetzgebung erklärt, erhalten bleibt. Die neue Verfassung stärke Islamisten, das Militär und Richter, so die Kritik.

Derweil zeichnet sich in der Wirtschaftspolitik ein wenig Entspannung ab. Die Vereinigten Arabischen Emirate sagten eine Milliarde an Finanzhilfen und darüber hinaus einen Kredit in Höhe von zwei Milliarden US-Dollar zu. Auch Saudi-Arabien hat zugesagt, Ägypten zwei Milliarden Dollar leihen zu wollen. Das Weiße Haus in Washington gab derweil bekannt, die Finanzhilfen würden nicht eingestellt, obwohl die US-amerikanischen Gesetze Zahlungen an Länder, in denen eine gewählte Regierung gestürzt wurde, verbieten.

Es ist davon auszugehen, dass der Effekt dieser Zusagen bereits in wenigen Tagen in Ägypten zu spüren sein wird.

Durch die Abnahme der Währungsreserven hatte das Ägyptische Pfund im Laufe der vergangenen Wochen erheblich an Wert verloren, was wiederum die Preise in die Höhe trieb, weil das Land stark von Importen abhängig ist.

Weiter wachsam: Militär auf dem Tahrir-Platz in Kairo

Foto: dpa/Yahya Arhab

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