Im Prozess zu einem anderen Europa

Alter Summit geht mit Einzelprojekten und einer Assamblea im Herbst weiter

  • Stephan Lindner
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel, denken sich wohl die Organisatoren des Alter Summit Anfang Juni in Athen. Denn das europaweite Treffen von sozialen Bewegungen wird mit weiteren Zusammenkünften und Aktionen fortgesetzt.

Es sollte ein großes Zusammentreffen der linken europäischen Bewegungen, Gewerkschaften und Parteien werden. Der Alter Summit vor gut einem Monat in Athen hatte sich als Weiterentwicklung der Sozialforen angekündigt. Anders als sein Name vermuten lässt, war der Alternativgipfel aber nicht als einmaliges Event konzipiert, sondern als Abschnitt auf dem Weg zu einem »demokratischen, sozialen, ökologischen und feministischen Europa«. Deshalb fanden sich Vertreter aus fast allen Ländern Europas von Nichtregierungsorganisationen wie Attac über Gewerkschaften und internationale Netzwerke Anfang der Woche schon wieder in Brüssel ein.

Diskutiert wurde dabei zunächst auch, wie erfolgreich die Zusammenkunft in der griechischen Hauptstadt war. Von den zuvor angenommenen 5000 Teilnehmern konnten damals nur gut die Hälfte begrüßt werden. Vor allem die Zahl der Besucher aus dem Gastgeberland blieb weit hinter den Erwartungen zurück.

»Für mich war von Anfang an entscheidend, dass der Alter Summit als kontinuierlicher Prozess angelegt ist«, so Hugo Braun, der an dem Treffen als Vertreter des bundesweiten Attac-Koordinierungskreises teilnahm. Und da sei es sehr erfreulich, dass sich mittlerweile einige Arbeitsgruppen gebildet hätten, die unter dem Dach des Alter Summit gemeinsame Projekte umsetzen wollen. Als Beispiele nannte Braun Kreise, die sich vorgenommen haben, ein alternatives Konzept für die Europäische Zentralbank auszuarbeiten und, die der sogenannten European Governance verstärkt zu Leibe rücken wollen, also den Plänen, auf EU-Ebene eine Art Troika für alle und immer festzuschreiben. »Da ist es dann auch naheliegend, im nächsten Jahr zu Blockupy nach Frankfurt am Main zu mobilisieren«, so Braun. Dies wird jedoch noch diskutiert.

Kritisch sah das Organisationskomitee, dass einige Spektren noch nicht ausreichend vertreten sind. Das betrifft vor allem neue Bewegungen wie die Indignados (Empörte) und Occupy-Gruppen. Deshalb soll geprüft werden, wie die Gespräche und Treffen besser zu koordinieren sind, so dass sich auch mehr Menschen aus Vereinigungen beteiligen, die nicht regelmäßig nach Brüssel reisen können. Im Herbst soll zu einer weiteren Auswertung in größerer Runde unter dem Namen Assamblea eingeladen werden - so nennen die neuen Bewegungen ihre Versammlungen.

Der Alter Summit war angetreten, um vieles besser zu machen als ähnliche Initiativen in der Vergangenheit. Am Europäischen Sozialforum kritisierte man eine gewisse Beliebigkeit. Dieser wollte man durch eine Konzentration auf wenige, die Krise betreffende Kernthemen begegnen. Dazu wurde in den letzten Monaten ein eigenes Manifest ausgearbeitet, das in Athen feierlich vorgestellt wurde und für alle Aktivitäten als roter Faden dienen sollte. Außerdem wollte man durch eine mehrstündige Plenarveranstaltung mit zuvor festgelegten Redebeiträgen Geschlossenheit und Stärke demonstrieren. In beiden Fällen muss am Konzept wohl weiter gearbeitet werden. Das Manifest spielte in den Workshops leider nicht die Rolle, die ihm zugedacht war, so dass viele der dort diskutierten Vorhaben wie Aktionstage für Migranten und Flüchtlinge sowie Proteste von Gewerkschaften derzeit weiter eher unverbunden nebeneinander stehen. Und den abendlichen »Mutmacher« empfanden viele als so langatmig, dass sie wohl gern vorzeitig das Velodrom verlasen hätten, wäre nicht noch als Schlussredner die SYRIZA-Leitfigur Alexis Tsipras angekündigt gewesen.

Wenn der Alter Summit in Zukunft erfolgreicher sein will, wird er die Aufgabe bewältigen müssen, eine stärkere Klammer zwischen den alten und neuen Akteuren zu bilden. Mit den Beschlüssen beim letzten Treffen wurden einige Weichen in diese Richtung gestellt. Die kulturellen Unterschiede zwischen den einzelnen Teilnehmern dürfen dabei allerdings nicht unterschätzt werden. Und in vielen Ländern herrscht auch in den neuen Bewegungen großes Misstrauen gegenüber den angestammten Protagonisten - allen voran die Parteien und Gewerkschaftsverbände -, das nicht immer unberechtigt ist. Inwieweit der Alter Summit diese Herausforderungen meistern kann, wird die Zukunft zeigen.

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