Ein krimineller Kirchenreport

Mariusz Czubaj: 21:37

  • Jan Eik
  • Lesedauer: 2 Min.

Es mag Zufall sein, dass dem Rezensenten der Thriller just am Karfreitag in die nicht gefalteten Hände fiel, als das öffentlich-rechtliche Inforadio es für angemessen hielt, das Programm gänzlich der christlichen Eschatologie zu widmen - wodurch selbst der neue Pontifex in den informellen Hintergrund geriet. Im erzkatholischen Polen hingegen ist man noch nicht ganz über den Tod des vorletzten Papstes hinweg, wie die Zahlenfolge 21:37 beweist: Wo sonst in der Welt kennt man Wojtilas Sterbezeitpunkt auf die Minute genau und leitet daraus Geheimnisvolles ab?

Mariusz Czubaj, Kulturanthropologe und Verfasser von Texten zur Popkultur, hat dazu einen spannenden Krimi geschrieben, in dem man mehr über unser neo-kapitalistisches Nachbarland erfährt als aus deutschen Medien. Das Buch, 2009 mit dem Polnischen Krimipreis »Großes Kaliber« ausgezeichnet, ist in Polen ein Bestseller. Wer sich außer für den weißen Rauch aus der Sixtinischen Kapelle nebenher für die wirklich brennenden Themen der katholischen Kirche interessiert, ist auch hierzulande gut beraten, Czubajs Thriller zu lesen, in dem so profane und höchst aktuelle Bezüge wie Homosexualität oder Missbrauch die entscheidende Rolle spielen.

Ein abgerissen gekleideter und chaotisch agierender Ermittler, sprich Profiler, aus Schlesien, noch dazu mit dem deutschen Namen Rudolf Heinz (dessen Schreibweise er anhand der bekannten US-Ketchup-Marke zu erläutern pflegt) hat gleich zwei unangenehme Fälle am Hals: den eines Serienmörders im heimatlichen Katowice und dazu in Warschau zwei bestialisch ermordete Priesterschüler mit zweifelhaftem Lebenswandel. Bei den hauptstädtischen Kollegen löst Heinz› Erscheinen wenig Begeisterung aus und auch der gutwillige Leser ist geneigt, der eher konfus anmutenden Methodik des unkonventionellen Profilers zu misstrauen. Doch keine Bange: Heinz dringt beharrlich und tief in den amoralischen Sumpf religiös verbrämter Prostitution und Kriminalität ein, entlarvt die Richtigen und findet auch den schlesischen Unhold.

In Polen sind von Czubaj inzwischen zwei weitere Rudolf-Heinz-Krimis erschienen - »Schlaflied für einer Mörder« und »Bevor ich wieder morde« - auf deren Übersetzung man gespannt sein kann. Außerdem hat er gemeinsam mit dem (in 17 Sprachen übersetzten!) Altphilologen und Erfolgsautor Marek Krajewski zwei Romane verfasst. Von Krajewskis Breslau-Krimis um den deutschen Ermittler Eberhard Mock liegen zwei in der Übersetzung vor: »Allee der Selbstmörder« und »Friedhofsrosen«.

Fazit: Polen liegt uns so nahe. Gute Krimis müssen keineswegs immer aus Schweden sein ...

Mariusz Czubaj: 21:37. Thriller. Aus dem Polnischen von Lisa Palms. Prospero Verlag. 384 S., br., 14,95 €.

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