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Tsipras, Merkel und die FAZ

BLOGwoche

  • Lesedauer: 3 Min.

Alexis Tsipras, Oppositionsführer im griechischen Parlament und Michael Martens, werden in diesem Leben wahrscheinlich keine guten Freunde mehr werden. Martens wollte für die FAZ den Politiker der Linkspartei Syriza interviewen, doch nach nicht einmal acht Minuten brach Tsipras das Gespräch ab. Anlass war die fünfte Frage. Der FAZ-Korrespondent zitierte aus einem Artikel der Athener Zeitung »Kathimerini« vom Juni 2012. Die Zeitung hatte Tsipras darin mit den Worten wiedergegeben, dass die beiden früheren Regierungsparteien Pasok und Nea Dimokratia die griechische Flagge erniedrigt und an Angela Merkel ausgeliefert hätten. Ob das Blatt ihn korrekt zitiert habe, fragte Martens den Linkspolitiker. Der antwortete: »Ich kann mich nicht daran erinnern, so etwas je gesagt zu haben« und brach hernach das Gespräch ab.

Auf www.faz.net ist sowohl der Audio-Mitschnitt zu hören als das versuchte Interview nachzulesen. Nebst den Bemerkungen von Martens. Er schreibt: »Dass ein Politiker ein Interview beendet und den Journalisten hinauswirft, ist in Ordnung. Kein Journalist hat ein Grundrecht auf Interviews. Bei den «Gerüchten, Aussagen Dritter und ungeprüft übernommenen Informationen handelt es sich allerdings um Aussagen von Tsipras selbst. Sie sind auf der Internetseite seiner Partei und in ›Avgi‹ zu finden.» (...) Eine Videoaufzeichnung einer vom griechischen Fernsehen übertragenen Abschlusskundgebung vor der Parlamentswahl im Juni 2012, auf der Tsipras sprach, beweise, dass die besagten Sätze tatsächlich gefallen seien. «Am 14. Juni 2012 sprach Tsipras auf dem Omoniaplatz in Athen und sagte vor Tausenden Anhängern wörtlich, Nea Dimokratia und Pasok hätten ›die griechische Flagge erniedrigt und als Beute an Angela Merkel ausgeliefert‹. Eine Presseerklärung von Syriza enthält denselben Satz, nur ohne das Wort ›Beute‹».

Danae Badogianni, Tsipras› Pressesprecherin, hat laut Martens nach dem missglückten Interview sich flugs bei den Herausgebern der Zeitung per Mail beschwert. Der Fragesteller (also Martens) habe «die Grenzen journalistischer Arbeitsethik weit überschritten», heißt es laut www.faz.net in der Mail. Martens kontert den Vorwurf mit einer Gegenfrage. «Wenn Alexis Tsipras und seine Leute einen Journalisten, der sie mit ihren eigenen Aussagen konfrontiert, unethisch nennen - sagt das nicht am Ende mehr über sie selbst und die Kultur ihres politischen Dialogs aus als über denjenigen, der sie zitiert?»

In einem Interview mit dem Online-Nachrichtenportal www.newsroom.de erzählte Martens, was er Tsipras fragen würde, sollte er erneut die Gelegenheit zum Interview mit dem griechischen Linkspolitiker haben: «1. Was ist Ihr Lieblingsessen? 2. Welches ist Ihre Lieblingsinsel? 3. Was ist Ihre Lieblingsfarbe? Das sind unbequeme Fragen, aber ein Spitzenpolitiker muss das aushalten können.»

Zusammengestellt von:

Jürgen Amendt

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