Noble Nichtsnutze

»The Bling Ring« von Sofia Coppola

  • Hans-Günther Dicks
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine Geschichte vom Luxus, vom Haben und Habenwollen. Luxus zieht Bewunderer an und Neider. Täglich Kaviar essen und Chateau Pétrus trinken dürfen ist Luxus nur für den, dessen Alltag derlei Genüsse noch nicht zur Routine gemacht hat. Die Ess- und Trinkgewohnheiten der Hollywood-Berühmtheiten kenne ich nicht - sicher kann man mit genügend Interesse und Internet-Erfahrung auch diese genauso googlen wie ihren aktuellen Aufenthaltsort und die Adressen ihrer noblen Villen. Dass aber Regisseurin Sofia Coppola ihr Drehbuch zu »The Bling Ring«, ihrem fünften Spielfilm, nicht an einem Schreibtisch vom Billigtrödel geschrieben hat, darf als sicher gelten, und der reale Kriminalfall, auf dem es beruht, erschien kaum zufällig zuerst in einem Lifestyle-Magazin, dessen Name übersetzt »Jahrmarkt der Eitelkeiten« hieße.

Um die »Celebrities« der Traumfabrik also geht es, um ihren materiellen Luxus und um dessen seltsame »Normalität«, die sich die fünf jugendlichen »Helden« von Coppolas Film zu Nutzen machen. Wahrer Luxus nämlich, so erfahren wir dort, unterscheidet sich vom bloßen Reichtum darin, dass man ihn nicht verbirgt, nicht in der Öffentlichkeit und schon gar nicht daheim in den (nicht immer) gut bewachten Millionenvillen. Eine nach der anderen davon beehrt das diebische Quintett mit seinem Besuch, nachdem man sich auf einschlägigen Internetseiten vergewissert hat, dass die Besitzer gerade in der Filmwelt umherjetten. Ist der Sprung über den Zaun erst einmal bewältigt, liegen ihnen all die teuren Juwelen und Designerklamotten in solcher Fülle vor den Augen, als wären sie Supermarkt-Angebote. Da muss man doch einfach zugreifen, und da die meisten von ihnen ebenfalls gut betuchte Yuppies sind, tun sie dies auch ohne jedes Schuldgefühl, mehr im Spaß und zur Angeberei als zur persönlichen Bereicherung. Nur Marc, der als einziger aus dem Mittelstand kommt und aus Liebe zur kessen Rebecca mitmacht, hat noch verhaltene Skrupel.

Coppola, schon durch ihre Herkunft bestens eingebettet in Hollywoods »High Snobiety«, weiß natürlich, dass dieser Luxus Namen hat, und so betet ihr Film die Litanei der Nobelmarken mehrfach herunter, bis selbst die Namen der beraubten Stars wie Handelsware klingen. Über weite, zu weite Strecken ihres Films wähnt man sich wie in einem Endlos-Werbeblock, und die immer wiederkehrende Routine der Einbrüche tut ein Übriges, dass das Spannungsthermometer sich frühzeitig gegen den Nullpunkt bewegt. Coppolas Hauptfiguren erlebt man als eine Bande junger Nichtsnutze, deren Lebensinhalt sich offenbar zwischen den Partys in angesagten Discos und ihren Diebeszügen erschöpft. Auf charakterliche Ausdifferenzierung der Fünf hat das Drehbuch (Co-Autorin: Nancy Jo Sales) weitgehend verzichtet, selbst die Dialoge - meist nur verzückte »Ohs« und »Ahs« über das, was sie in den mannshohen Schränken der Villen finden - geben den jungen Darstellern wenig Spielraum.

Und dann, wenige Minuten vor dem Filmschluss - ungeduldige Zuschauer sind vielleicht schon auf dem Heimweg - wechselt Coppola ihren Erzählstil, und in knappen, temporeichen Szenen vom Auffliegen der Bande scheint etwas von dem auf, was die verloren gegangene Grundidee des Projekts gewesen sein könnte: In rascher Folge erhalten die geltungssüchtigen Yuppies Besuch von der Polizei und landen vor Gericht, immer umringt vom Tross storyhungriger Journalisten, die ihnen für wenige Tage jene Medienprominenz verschaffen, um die sie die beraubten Stars immer so beneidet hatten. Und siehe da, wie Chamäleons scheinen sich die jungen Delinquenten ihren Idolen anverwandelt zu haben, und was da an schalen Rechtfertigungen und Besserungsversprechen aus ihren Mündern in die zahlreichen Mikrofone der Szenepresse fließt, klingt ganz so wie die image-fördernden Häppchen, die sich die Stars von ihren PR-Beratern für solche Gelegenheiten aufschreiben lassen. Eine späte und zu dürre Erkenntnis nach einem zu langen Film.

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