Mordaufrufe gegen Roma

In Duisburg eskaliert ein Streit um Zuwanderer

  • Marcus Meier
  • Lesedauer: 3 Min.
Tausende Roma leben unter menschenunwürdigen Bedingungen in Ruhrgebietsstädten wie Dortmund und Duisburg. Nun eskalieren Konflikte: Mit Morddrohungen und Schmierereien wollen Rassisten die Zuwanderer vertreiben.

Die Betreiber der Facebook-Seite »In Den Peschen 3-5«* geben sich betont unpolitisch: »in den peschen 3-5 ist ein haus in duisburg rheinhausen in dem roma leben und als problemhaus gilt .«* So definieren sie den Inhalt ihres Internetangebotes. Scheinbar unpolitisch wird dort gegen bulgarische und rumänische Armutsflüchtlinge gehetzt.

Gelöscht haben die Betreiber immerhin einen offenen Mordaufruf gegen die ungeliebten Zuwanderer. Die Aufforderung, das »Problemhaus« abzufackeln, auf dass »endlich Ruhe da« herrschen möge, wurde nach Medienberichten und etlichen Strafanzeigen entfernt. Es gibt zwar keine Mordaufrufe mehr - doch ein Video der »Autonomen Nationalisten Moers« wird hier weiterhin verbreitet. Das heißt: Eigentlich haben die Neonazis nur eine Reportage von »Spiegel TV« hochgeladen, die schon im Original mit den Worten »Untergangsstimmung in Duisburg - Vom Wohngebiet zum Ghetto« betitelt ist.

Die Hetze hat ihren Weg gefunden aus den Untiefen des Internets in die Realität des Duisburger Stadtteils Rheinhausen. Bis zu zehn Meter breite rassistische Slogans sprühten bisher Unbekannte vor einigen Tagen auf das »Roma-Haus« (»Westdeutsche Allgemeine«).

Alle waren sie schon bei dem schlichten Wohnblock gewesen: Der Bundespräsident. Der SPD-Kanzlerkandidat. Der SPD-Oberbürgermeister, der die Sache auf einem guten Weg sieht (Mittel bewilligt, Verein gegründet, erste Erfolge). Geredet wurde viel.

Menschen wie Rolf Karling vom Verein Bürger für Bürger packten auch an, räumten auf, entrümpelten die Keller des »Problemhauses«. An der Aktion beteiligten sich Alteingesessene wie Roma. »Ich bin froh, dass wir das gemacht haben, um den Brandschutz besser zu gewährleisten«, lässt Karling sich nach den jüngsten Vorfällen zitieren.

Duisburg und Dortmund sind besonders betroffen von einer Armutseinwanderung, die, so befürchten viele, im Jahr 2014 mit der Freizügigkeit für Rumänen und Bulgaren weiter an Fahrt gewinnen könnte.

Aber das Paradies finden die Geflohenen weder in Duisburg-Rheinhausen noch in der Dortmunder Nordstadt. Skrupellose Vermieter verdienen an den überteuerten Wohnungen. Viele der Zuwanderer sind Analphabeten und verfügen über keine berufliche Ausbildung, die ihnen Arbeit sichern würde. Sie haben kaum Anspruch auf Sozial- und Gesundheitsleistungen. Hinzu kommt die Diskriminierung, die selbst alteingesessene und bestens integrierte Sinti und Roma dazu verleitet, ihren ethnischen Hintergrund zu verschweigen.

Integration ist schwierig - aus vielerlei Gründen. So beklagen sich Nachbarn diverser »Problemhäuser« über Müllberge, nächtlichen Lärm und aggressiver werdende Jugendliche. Auf Nachfrage räumt auch das NRW-Innenministerium ein: Ja, die »mobilen Intensivtäter« aus einer markigen Pressemitteilung seien Roma. Ihnen zur Last gelegt werden »eine große Anzahl von Metall- und Taschendiebstählen sowie Überfälle an Geldautomaten«. Die Polizei habe daher flexible »Schwerpunktbehörden« mit »spezialisierten Fahndern« errichtet.

Das klamme Land NRW stellt nun jährlich rund 7,5 Millionen Euro zur Verfügung. »Damit Städte wie Duisburg oder Dortmund den sozialen Frieden sichern und die zu uns gekommenen Menschen angemessen unterstützen können«, sagt Guntram Schneider, Minister für Arbeit und Integration. »Integrationslotsen« sollen bei Behördengängen helfen, flexible Bildungsangebote im Vorschulalter werden angeboten, der »reguläre Schulzugang« der älteren Kinder soll durch den Einsatz von »Integrationslehrern« gesichert werden. Hinzu kommen »Ordnungspartnerschaften«. Es werde gefördert und gefordert, sagt Schneider.

*Schreibfehler im Original

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