Quälerische Stallsysteme

Ruinöser Preiskampf in der Massentierhaltung

  • Rainer Funke
  • Lesedauer: 2 Min.

Mehr als 67,5 Millionen Masthähnchen werden derzeit bundesweit zum Verzehr aufgezogen. Im Jahr werden in Deutschland 590 Millionen Hähnchen geschlachtet. Etwa 72 Prozent von ihnen leben in industriellen Anlagen - auf engstem Raum, ohne Auslauf und Ruheplätze, etwa auf Sitzstangen, bei künstlichem Licht. Das ergaben Studien von Tierschutzverbänden.

Die Hähnchen liegen drei Viertel des Tages, und das ihr Leben lang, im eigenen Mist. Die restliche Zeit stehen sie. Alles ist auf Fressen und Trinken ausgerichtet. Ihr Dasein besteht aus Stress und Krankheit. Kannibalismus gehört zur Normalität. Eine hohe Zahl erlebt nicht einmal das Ende der Mastzeit. Ein Sättigungsgefühl kennen sie nicht. Man hat es ihnen einfach weggezüchtet. Flächenlose Tierhaltung nennt man diese Art der Fleischerzeugung.

Der Landwirtschaftsexperte Eckehard Niemann vom Netzwerk »Bauernhöfe statt Agrarfabriken« spricht von einem offenkundig gesättigten Markt an Hähnchen. Trotzdem würden momentan Mastfabriken in einem Umfang geplant, genehmigt und gebaut, der den Nachfragezuwachs um mehr als das Zehnfache übersteigt. Eine Überproduktionswelle, eine »Hähnchenblase« komme auf uns zu. Der ruinöse Kampf um Marktanteile habe längst begonnen. Kaum ein Neueinsteiger in dieser Branche verdiene derzeit auch nur einen Cent.

»Tiere aus Qualzucht und quälerische Stallsysteme sind in Deutschland die Normalität«, merkt der Umweltverband BUND in einer Studie an. Angesichts von Gammelfleischskandal, Vogelgrippe, Schweinepest und sich global ausbreitender Maul- und Klauenseuche müsse man schlussfolgern, dass die Risiken mit der industriellen Fleischerzeugung nicht abnehmen, sondern eher größer werden, heißt es.

Der aktuelle Weltagrarbericht, der Analysen von 400 Wissenschaftlern aus aller Welt zusammenfasst, fordert ein radikales Umdenken. Die industrielle Landwirtschaft zerstöre die natürlichen Ressourcen. »Nicht die Agrarindustrie, sondern die zwei Milliarden mittelständischer und kleinbäuerlicher Betriebe sichern die Welternährung«, wird festgestellt.

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