Fauler Apfel

»Apple Stories« von Rasmus Gerlach

  • Caroline M. Buck
  • Lesedauer: 3 Min.

Kultische Verehrung auf einen Seite, harte Arbeit, bittere Armut und ein früher Tod auf der anderen: Für die Wartenden vor dem Apple Store am Hamburger Jungfernstieg erfüllt sich nach zwei Tagen Ausharrens auf dem kalten Boden der kurzlebige Traum, zu den allerersten Besitzern einer neuen iPhone-Generation zu gehören. Beim nächsten Geräte-Launch werden sie sich wieder die Beine in den Bauch stehen und die Nacht auf den Bürgersteigplatten verbringen, denn Apple-Produkte machen süchtig. Eine Sucht, zu der sich die Süchtigen selbst geradezu lüstern bekennen.

Auf die schlecht bis gar nicht ausgerüsteten Arbeiter in den Zinnminen in Ruanda, die in gebückter Handarbeit unter Tage einen der wesentlichen Rohstoffe abbauen, die zur iPhone-Fertigung benötigt werden, lauern statt der Wohlstandssucht Arbeitsunfälle und Malariamücken. In unternehmerischen Kleingruppen dürfen sie ihren Ruin noch selbst verwalten, das Endergebnis ihrer täglichen Tortur werden sie sich nie leisten können.

Es ist keine neue Geschichte, die Dokumentarfilmer Rasmus Gerlach in »Apple Stories« aus dem Produktionshintergrund der Kultmarke auftischt (und als Gewinner eines Phoenix-Förderpreises in der Projektphase war sein Film letzte Woche auch bereits im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu sehen), aber er fügt den bekannten Stichworten ein paar neue hinzu.

Zu den bekannten gehört der Name Foxconn, der von Apple beauftragte taiwanesische Fertigungsbetrieb mit den sklavenhalterischen Arbeitsbedingungen und ungewöhnlich hohen Selbstmordraten in seinen festlandschinesischen Produktionsstätten. Die Bilder von Foxconn-Wohnheimen in der südchinesischen Freihandelszone Shenzhen mit ihren großflächig ausgehängten Auffangnetzen für suizidwillige Arbeiter unter den Fenstern, die Gerlach aus dem fahrenden Taxi filmt, sprechen da für sich. In Ruanda sind es die fehlenden Helme und Arbeitsausrüstungen, die Flip-Flops unter Tage, die mangelnde Ventilation, der völlige Verzicht auf alles, was in postkolonialen Zeiten eigentlich dafür sorgen sollte, dass neben den einheimischen Minen nicht auch die lokalen Arbeitskräfte bis zur Totalerschöpfung ausgebeutet werden.

Gerlach zieht die unternehmerische Traditionslinie von den einstigen kolonialdeutschen Ausbeutungsbetrieben zu den heutigen Verhältnissen (und Wertabschöpfern, die teils immer noch in Deutschland sitzen). Er filmt Wissenschaftler von offiziellen deutschen Stellen und Mitarbeiter internationaler NGOs dabei, wie sie den Schmuggel von kongolesischen Mineralien (die einem Embargo unterliegen) via Burundi nach Ruanda zu verhindern suchen, weil deren Verkaufserlöse zur Bewaffnung der Bürgerkriegsparteien in Kongo beitragen: Stichwort Konfliktmineralien. Inspiriert hat Gerlach dabei offenkundig die eigene Anschauung: Was genau geschieht eigentlich in diesen obskuren kleinen Läden vor Ort in Hamburg, die iPhones reparieren, obwohl sich Apple das doch eigentlich strikt vorbehält, in Service-Abteilungen seiner Stores, die sich pompös »Genius Bar« nennen?

Und woher bekommen diese kleinen Läden ihre Ersatzteile, wo Apple doch strikt die Hand auf alles hält, was zu den Bauteilen seiner Geräte gehört? In dem Zusammenhang gelingt dem Filmemacher ein echter Coup, als er nämlich in der Produktionsstätte chinesischer Produktpiraten filmen darf, die unterbezahlte Wanderarbeiter in hoch technisierten Arbeitsräumen im Akkord Apple-Geräte kopieren lassen. Das - vorsichtshalber anonyme - Klagen der Hamburger Apple-Store-Mitarbeiter über Kameras (und Mikrofone!) bis in die Umkleiden hinein prangert einen Übergriff an, der abgestellt gehört. Aber im Verhältnis zu dem, was Gerlach in Afrika und Asien vor die Kamera bekam, ist es ein Klagen auf hohem Niveau.

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