Vertretbare Freigabe

  • Frank Daumann
  • Lesedauer: 4 Min.

Doping ist wieder in aller Munde. Nach dem Fall Armstrong wird nun diskutiert, ob es systematisches Doping in der alten Bundesrepublik gab. Damit taucht die Frage auf, ob Doping im Leistungssport zugelassen werden sollte. Empirische Studien legen nahe, dass mindestens ein Viertel der Spitzenathleten dopt.

Die Bekämpfung des Dopings im Leistungssport wird im wesentlichen mit drei Argumenten gerechtfertigt: Doping beeinträchtige die Gesundheit, es sei unfair und es beschädige die Vorbildwirkung des Sports. Wir wollen diese Argumente etwas näher betrachten.

Schädigt Doping die Gesundheit? Tatsache ist, dass manche Mittel (zum Beispiel Epo) erhebliche Gesundheitsschäden bewirken können; andere hingegen sind weitgehend ungefährlich. Intensive Trainingsmethoden, die man keinesfalls als Doping bezeichnen würde, können ebenfalls schwere Schädigungen nach sich ziehen. Letztere sind erlaubt, Doping jedoch ist verboten. Das Kriterium »Schädigung der Gesundheit« wird also nicht konsistent angewandt und die darauf basierende Argumentationskette ist daher wenig stichhaltig. Zudem ist nicht nachvollziehbar, warum mündige Bürger nicht selbst über ihre eigene Gesundheit entscheiden sollten.

»Doping weiter untersagen«

Kinder und Jugendliche können oft nicht beurteilen, welche Folgen die Einnahme leistungssteigernder Mittel haben kann. Deshalb plädiere ich dafür, ihnen Doping weiter zu untersagen.

Ist Doping unfair? Fairness ist als Chancengleichheit zu interpretieren. Das Argument lautet deshalb: Doping sei unfair, da sich der gedopte Sportler einen Startvorteil verschaffe. Dieses Argument versagt bereits dann, wenn man die unterschiedliche »Grundausstattung« der Sportler an physischer Konstitution wie zum Beispiel Größe und Gewicht sowie an Trainingsmethoden in Betracht zieht. Chancengleichheit ist demzufolge von vornherein in den seltensten Fällen gegeben.

Zudem lässt sich das Kriterium leicht ins Gegenteil wenden: Wäre es beispielsweise beim Langlauf nicht fairer, wenn Sportler aus Regionen, die auf Meereshöhe liegen, mittels Eigenblutdoping die Sauerstofftransportkapazität ihres Blutes steigern, um ähnliche Voraussetzungen wie Läufer aus einer Bergregion zu erlangen? Wenn alle Wettkämpfer dopen können, dann wäre der Vorteil durch leistungssteigernde Mittel ausgeglichen - es würde wieder »Fairness« in Bezug auf den Einsatz von Dopingmitteln herrschen.

Vorbildwirkung des Sports

Das Argument, »arme« Leistungssportler könnten sich teure Dopingmittel nicht leisten, überzeugt ebenfalls nicht. Schließlich können »arme« Sportler auch teure Trainingsmethoden und Trainer nicht bezahlen - und sind deshalb prinzipiell benachteiligt.

Beschädigt das Doping die Vorbildwirkung des Sports? Fakt ist, dass trotz eines vermeintlich hohen Kontrollaufwandes in größerem Umfang gedopt wird. Dieser Sachverhalt würde sich durch eine Intensivierung der Kontrollen nicht wesentlich verändern, da findige Athleten stets Möglichkeiten zur Umgehung der Kontrollen finden. Insofern dürfte sich eine reale Situation mit einem Dopingverbot im Hinblick auf die Vorbildwirkung kaum von einer Situation unterscheiden, in der gedopt werden dürfte. Freilich wäre es schön, wenn es einen sauberen Sport gäbe, der als Vorbild wirken könnte. Das aber ist ein Idealbild, dem die Realität des Sports nie entsprochen hat und vermutlich nie - selbst bei einem staatlichen Verbot mit strengen Strafen - entsprechen wird.

Insgesamt erweisen sich die Argumente für ein Dopingverbot als nicht stichhaltig. Deshalb halte ich eine Freigabe bestimmter Mittel für vertretbar.

Hochwertig gedopt

Natürlich würden die Spitzenathleten dann mehr dopen. Aber es würde qualitativ hochwertiger gedopt. Durch entsprechende Begleitstudien würden die Gesundheitsrisiken einzelner leistungssteigernder Mittel aufgedeckt und transparent. Damit könnten sich die Athleten besser informieren und Dopingmittel meiden, die nur eine geringe Leistungssteigerung bei großen gesundheitlichen Risiken bringen. Eine Dopingfreigabe würde zudem die Souveränität der Sportler stärken. Ebenso würden zahlreiche Inkonsistenzen beseitigt: Leistungssportler würden Mittel einsetzen dürfen, die allen anderen Personen problemlos zugänglich sind. Und schließlich würden sich bei einer Freigabe die Kontrollkosten erübrigen.

Der Gesetzgeber wäre zudem gut beraten, kein Anti-Doping-Gesetz auf den Weg zu bringen: Erstens würde es eine fragwürdige Sondergesetzgebung des Sports darstellen - Sportler dürfen bestimmte Mittel nicht einnehmen, die andere Personen problemlos verwenden können. Zweitens würden die Kosten der Durchsetzung auf den Steuerzahler abgewälzt.

Die Vorteile hätte jedoch vor allem das Sportsystem, denn dopingfreie Wettkämpfe hätten aus Sicht der Zuschauer eine höhere Qualität und brächten damit dem Sport höhere Einnahmen. Und drittens ließe sich ein derartiges Verbot kaum flächendeckend durchsetzen, wodurch nicht nur die Reputation des Gesetzgebers erheblich beschädigt würde, sondern auch moralisch vorbildlich agierende Athleten gegenüber Sportlern, die kreativ nach Umgehungen des Verbotes suchen, systematisch benachteiligt würden.

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