Wohlgesetzte Worte von Ruhani

Beschwörende Versprechen aus Teheran an die Weltgemeinschaft in Sachen Atom

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 4 Min.
Zwei Staaten im Mittleren Osten besitzen atomare Anlagen: Iran und Israel. Im Brennpunkt internationaler Debatten stehen aber allein die Anlagen der Islamischen Republik, auch jetzt bei der UNO-Vollversammlung.

Irans Präsident Hassan Ruhani hat in seiner ersten Rede vor der UNO ziemlich alles gegeben, was an Charme-Offensive unter Beachtung staatsmännischer Würde vorstellbar war. Die westlichen Staaten, allen voran die USA, sowie Israel bezichtigen Teheran ja seit Jahren, unter dem Deckmantel der Errichtung von Kernkraftwerken nukleare Rüstungsprogramme zu betreiben. Bewiesen ist das nicht; das Gegenteil auch nicht, was allerdings auch kaum möglich ist, wenn man das Betreiben von Atomkraftwerken anstrebt und dabei Wert auf die Unabhängigkeit von ausländischen Zulieferern legt. Ruhanis Vorgänger hatte allerdings stets in einer Art zurückgekeilt, die es seinen Gegnern sehr einfach machte, ihn als Weltbösewicht darzustellen.

Den Gefallen tat ihnen Ruhani nicht. Er beschwor die rein zivile Ausrichtung des Atomprogramms seines Landes in betont maßvollen Worten. Von Iran gehe »absolut keine Gefahr für die Welt« aus, sagte er am Dienstag laut dpa bei der Generaldebatte in New York. Atomwaffen hätten »keinen Platz« in der iranischen Sicherheitspolitik.

Chronik zum iranischen Atomprogramm

Der Druck aus dem Westen auf Iran wegen dessen Atomprogramm hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Einige wichtige Daten dazu.

23. Dezember 2006: Der UN-Sicherheitsrat verhängt auf Antrag u. a. der USA erste Sanktionen und untersagt allen UN-Mitgliedsländern die Lieferung von nuklearen Materialien und Technologien an Iran.

23. Januar 2012: Die EU-Außenminister beschließen ein Ölembargo gegen Iran und frieren europäische Konten der iranischen Zentralbank ein. Wenige Tage später blockieren die USA Vermögenswerte der iranischen Regierung und aller iranischen Finanzinstitutionen.

26. Februar 2013: Vertreter der 5+1-Gruppe verhandeln wieder mit der iranischen Führung. Angeblich hat die Gruppe angeboten, einige Sanktionen zu lockern, wenn Iran den westlichen Forderungen Entgegenkommen signalisiert.

20. März 2013: Präsident Barack Obama sagt, dass die USA notfalls mit Waffengewalt eine atomare Aufrüstung Irans verhindern wollten.

9. September 2013: Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, Yukiya Amano (Japan), fordert schnelle Ergebnisse bei den Verhandlungen mit Iran. dpa/nd

 

Der israelische Vertreter verließ daraufhin den Saal, blieb damit aber allein - im Gegensatz zu früheren Anlässen, als bei Reden von Ruhanis Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad die meisten westlichen Vertreter ihrem israelischen Kollegen folgten. »Die sogenannte iranische Bedrohung«, so Ruhani, »ist nur eine ausgedachte Bedrohung.« Das kann und wird allerdings nicht genügen.

Hier kommt die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) ins Spiel. Bisher gab es häufig Streit zwischen den iranischen Stellen und den Inspektoren der IAEA, vor allem seit diese vom Japaner Yukiya Amano geführt wird. Allerdings hat sich auch der iranische Staat - unter der Präsidentschaft Ahmadinedschads - dem Verdacht ausgesetzt, Kontrollwünsche der IAEA eher provozierend als begründend zu versagen. Es wird deshalb mit großem Interesse erwartet, was die IAEA-Spezialisten an den sechs »atomaren« Standorten Irans (siehe Karte) künftig inspizieren dürfen. Dies wird der erste Prüfstand für den praktischen Wert von Ruhanis Rede.

Allerdings hat sich die IAEA selbst, was politische Neutralität und fachliche Unvoreingenommenheit anbelangt, zuletzt kein ideales Zeugnis ausgestellt. Ihre Mitgliedsstaaten haben vorige Woche eine von den arabischen Ländern eingebrachte Entschließung zur Untersuchung von Israels Atomaffenarsenal mit knapper Mehrheit abgelehnt. 51 Staaten waren bei der Generalkonferenz in Wien gegen den Antrag, 43 Staaten dafür, und 32 enthielten sich. Dabei war der Text recht zurückhaltend formuliert. In ihm war von der »Besorgnis über die atomaren Kapazitäten Israels« die Rede, und er enthielt am Ende die Aufforderung an das Land, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten.

Israel ist die einzige Militärmacht im Nahen Osten mit Atomwaffen, obwohl es deren Besitz offiziell leugnet. Israel ist sogar Mitglied der IAEA, verweigert aber IAEA-Kontrollen bis auf ein kleineres und als nicht von strategischer Bedeutung eingestuftes Labor. Und das IAEA-Plenum gibt sich damit zufrieden - siehe die erwähnte Abstimmung. Für diese kann auch nicht mehr gelten, womit ähnliche lautende Resolutionsentwürfe in den vergangenen beiden Jahren zurückgestellt worden waren. Damals hieß es, man wolle das Thema nicht auf die Tagesordnung setzen, um Initiativen zur Schaffung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten nicht zu belasten. Davon aber spricht derzeit niemand mehr, vor allem weil Israel erklärt hatte, sich an der Diskussion zum Thema definitiv nicht zu beteiligen.

Dessen ungeachtet war Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu vor wenigen Tagen erneut in die Offensive gegangen. Er warf Ruhani vor, die Weltöffentlichkeit täuschen zu wollen. »Man darf sich nicht von den betrügerischen Worten des iranischen Präsidenten hinters Licht führen lassen. Er verdreht alles, damit sich die Zentrifugen weiter drehen können«, behauptete Netanjahu. Gemeint sind die Zentrifugen der Urananreicherungsanlagen - der Technologie, deren Beherrschung darüber entscheidet, ob Iran in Sachen Atom auf ausländische Proliferation angewiesen ist oder eben nicht.

Mitte voriger Woche war unter anderem im Hamburger »Spiegel« darüber spekuliert worden, ob Iran als Zeichen guten Willens die Schließung der Urananreicherungsanlage Fordo anbietet. Laut der russischen Agentur RIA Novosti sei dies aber noch am Freitag von Vizepräsident Ali Akbar Salehi dementiert worden. Fordos nukleare Produktionsstätten sollen so tief unterirdisch angelegt sein, dass sie - als derzeit einzige iranische Nuklearanlagen - als von israelischen oder US-amerikanischen Bombern für unzerstörbar gehalten werden. Trotzdem war das, Dementi hin oder her, vielleicht noch nicht das letzte Wort aus Teheran zu Fordo. Dessen Aufgabe wäre in der Tat ein sub᠆stanzielles Zugeständnis.

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