Amtlicher Vertrauensbruch
Kritik an Datenweitergabe in Schleswig-Holstein
Einwendungen und Stellungnahmen, die Bürgern im Zuge von Prüf- und Planverfahren bei Großprojekten machen, erfüllen zweifellos das Kriterium sensibler Daten. Dennoch ist es diesbezüglich jetzt in Schleswig-Holstein binnen kürzester Zeit gleich zweimal zu gedankenlosen Weitergaben gekommen - sowohl aus dem Umweltministerium als auch aus der Staatskanzlei. Die Betroffenen reagierten empört.
Nicht anonymisiert
Bereits im August war bekannt geworden, dass im Zuge des laufenden Anhörungsverfahrens über die dänischen Pläne zur CO2-Verpressung in der Nordsee rund 800 Bedenken und Stellungnahmen deutscher Projektgegner von der zuständigen dänischen Energiebehörde Energistyrelsen ins Internet gestellt wurden, und zwar nicht anonymisiert. Die Statements waren zuvor dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie (LBEG) in Clausthal-Zellerfeld zugegangen. Dies ist fachbezogen eine nachgeordnete Behörde des Kieler Umweltministeriums.
Die Gegner der CCS-Technologie machten von der Möglichkeit Gebrauch, sich grenzüberschreitend an der Anhörung zu beteiligen. Mit ihren Einwendungen machten sie auf die ihrer Ansicht nach unabsehbaren Gefahren des Vorhabens aufmerksam. Reinhard Knof, Sprecher der schleswig-holsteinischen Bürgerinitiative gegen CO2-Endlager, äußerte den Verdacht, dass die Daten ins Netz gestellt wurden, um kritische Bürger abzuschrecken, sich künftig gegen solche Projekte zu engagieren. Er empfindet den Vorgang in Zeiten des Spähprogramms Prism schlichtweg als Skandal.
Oliver Kalisch vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz gibt dem schleswig-holsteinischen Umweltministerium eine Mitschuld für den Datenskandal. Dort zieht man sich immerhin diesen Schuh an und teilt mit, dass in künftigen grenzüberschreitenden Beteiligungsverfahren dafür Sorge getragen werde, dass die Weitergabe personenbezogener Daten nur nach Maßgabe des deutschen Datenschutzrechtes erfolgt. Nach Information der CCS-Gegner sowie des Ministeriums sind auf Intervention in Kopenhagen inzwischen alle einsehbaren persönlichen Daten online verschwunden.
Vor wenigen Tagen dann ein weiterer Daten-Schock. Im Zuge des von der Bahn AG betriebenen Raumordnungsverfahrens zur Findung einer Bahntrasse in Ostholstein, die als Hinterlandanbindung an das umstrittene Großprojekt Feste Fehmarnbeltquerung anknüpfen soll, wurden rund 8000 Eingaben an den Vorhabenträger Bahn AG weitergegeben. Verantwortlich dafür ist die Abteilung Landesplanung der Staatskanzlei.
Schuldbewusstsein fehlt
Dort zeigt man allerdings kein Schuldbewusstsein. Man sei in der üblichen Weise verfahren und habe sich auch rechtlich korrekt verhalten. Schleswig-Holsteins oberster Datenschützer Thilo Weichert bestätigt Letzteres. Er wundert sich aber doch sehr darüber, dass den Betroffenen nicht im Vorfeld mitgeteilt wurde, dass die nicht anonymisierten Datensätze nicht in der Staatskanzlei verbleiben. Michael Dietz, Kopf der Bürgerinitiative »Kein Güterverkehr durch die Badeorte der Lübecker Bucht«, bringt den kollektiven Unmut auf den Punkt: »Hätte ich gewusst, dass die Bahn mein Statement auch erhält, hätte ich etliche Dinge anders formuliert.«
nd Journalismus von links lebt vom Engagement seiner Leser*innen
Wir haben uns angesichts der Erfahrungen der Corona-Pandemie entschieden, unseren Journalismus auf unserer Webseite dauerhaft frei zugänglich und damit für jede*n Interessierte*n verfügbar zu machen.
Wie bei unseren Print- und epaper-Ausgaben steckt in jedem veröffentlichten Artikel unsere Arbeit als Autor*in, Redakteur*in, Techniker*in oder Verlagsmitarbeiter*in. Sie macht diesen Journalismus erst möglich.
Jetzt mit wenigen Klicks freiwillig unterstützen!