Schmelzöfen standen probeweise still

Das Bochumer Nirosta-Stahlwerk soll nächstes Jahr geschlossen werden

  • Marcus Meier, Bochum
  • Lesedauer: 3 Min.
Bochum droht eine beschleunigte Abwärtsspirale, nachdem der Edelstahlkonzern Outokumpu in dieser Woche ankündigte, sein dortiges Edelstahlwerk 2014 dicht zu machen.

Die Ruhrstadt Bochum kämpft noch immer mit dem Weggang eines Nokia-Werkes und dem drohenden Ende der Opel-Produktion. Nun schockiert der Plan des Edelstahlkonzerns Outokumpu, ein Bochumer Edelstahlwerk bereits im nächsten Jahr zu schließen. Erst 2012 hatte das finnisch-deutsche Unternehmen das Werk von von ThyssenKrupp erworben und wollte mit der Schließung zunächst bis frühestens Ende 2016 warten.

Auch Werke in Düsseldorf und Krefeld stehen auf der Abschussliste des Konzerns mit Hauptsitz Espoo, Finnland. Die ebenfalls von ThyssenKrupp erworbene und profitable Spezialstahlfirma VDM versucht das Unternehmen an Finanzinvestoren zu veräußern. Weltweit wollen die Manager bis 2017 gut 2500 Jobs vernichten, wegen eines »schwierigen Marktumfeldes«, das durch Überproduktion geprägt ist. Diese Probleme betreffen die Branche generell. Jedes dritte der 98 Edelstahlwerke in Europa müsste dichtmachen, damit der Markt sich »konsolidieren« kann, rechnete die »Wirtschaftswoche« vor zwei Jahren vor.

550 Stahlkocher werden allein in Bochum auf der Straße stehen, wenn Outokumpu seine Schließungspläne umsetzt. »Erst Nokia, jetzt Outokumpu - ist das der ›finnische Kapitalismus‹?«, fragt die Lokalpresse erzürnt, dezent verschweigend, dass der deutsche ThyssenKrupp-Konzern an Outokumpu beteiligt ist. Knapp 30 Prozent der Firmenanteile gingen im Tausch an die Essener, als diese 2012 ihre Edelstahlsparte an Outokumpu veräußerten.

Teil des Deals war es, dass in Bochum Standort und Arbeitsplätze zumindest bis Ende 2016 sicher sind. In Bochum und in der NRW-Landeshauptstadt Düsseldorf ist die Empörung deswegen groß. Von Vertragsbruch und Provokation sprach der Betriebsratsvorsitzende Frank Klein. Für die »Unverschämtheit« gebe es weder wirtschaftliche Gründe noch eine Rechtsgrundlage. Die lokale IG Metall kündigte eine Klage an. Die Gewerkschaft setzt zudem auf streikähnliche Maßnahmen wie »Protestversammlungen« der Belegschaft, die immerhin dazu führten, dass die Schmelzöfen 32 Stunden lang still standen, formell aus »Sicherheitsgründen«.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) telefonierte mit der Konzernspitze, der sie einen Bruch »der Unternehmenskultur in diesem Land« vorhält. Linkspartei-Politikerin Sevim Dagdelen warf dem Outokumpu-Management vor, »aus Gier am Profit« Hunderten Menschen deren Lebensgrundlage zu rauben. Die Bochumer Bundestagsabgeordnete forderte ein gesetzliches Verbot von Massenentlassungen. Dafür solle die rechnerische Bundestagsmehrheit links der CDU genutzt werden.

Bereits im August hatte eine Outokumpu-Sprecherin eine Schließung des Bochumer Werks angekündigt, wenn es nach Wirtschaftlichkeitsanalyse im internationalen Vergleich »keine deutlichen Kostenvorteile mit sich bringt«. Damals schien es, als wolle der Konzern so weitere Strompreissubventionen erzwingen. Das Werk gilt wirtschaftsliberalen Kritikern des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) als Paradebeispiel für »die Lasten der Energiewende«, die angeblich die Industrie »in die Enge« treiben (so exemplarisch das »Handelsblatt«).

Mitte des Jahres beantragte das Management drei Monate Kurzarbeit für Bochum. Nur so seien die gestiegenen Kosten durch die EEG-Umlage zu schultern, von der das Werk seit diesem Jahr nicht mehr befreit ist. Outokumpu beklagte Mehrkosten von monatlich 2,5 Millionen Euro. Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) sah »unseren Industriestandort« generell gefährdet und mahnte eine Reform des EEG (»Hauptkostentreiber«) an.

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