Schläger von Pömmelte macht weiter
Türkischer Imbissbesitzer im sächsischen Bernburg lebensgefährlich verletzt
A. Erkut lebt seit 13 Jahren in Bernburg, hier betreibt er zusammen mit seinem Bruder ein Schnellrestaurant am Bahnhof des Ortes. Als er am 21. September gegen 21.30 Uhr seinen Laden abschließen will, attackiert ihn eine neunköpfige Gruppe Neonazis. Aufgrund der schweren Verletzungen lag A. Erkut mehrere Wochen auf der Intensivstation im künstlichen Koma. Die Polizei nahm neun Tatverdächtige fest, behielt jedoch nur drei von ihnen in Haft, obwohl Zeugen einen gemeinschaftlichen Angriff durch die gesamte Gruppe bestätigten. Viele der Nazis stammen aus dem nahe gelegenen Schönebeck, so auch Francesco L., der als zentrale Figur innerhalb der Schönebecker Kameradschaftsszene gilt. Augenzeugen bestätigten, den Nazischläger am Abend des Angriffs in der Angreifergruppe gesehen zu haben.
Der heute 28-Jährige geriet vor einigen Jahren als Haupttäter im sogenannten »Pömmelte Prozess« bundesweit in die Schlagzeilen. Er und weitere Rechte quälten am 9. Januar 2006 im Schönebecker Nachbarort Pömmelte einen 12-jährigen schwarzen Deutschen. Über eine Stunde lang traten und schlugen sie den Jungen, bedrohten ihn mit einer Gaspistole, zwangen ihn auf Fragen mit »Jawohl, mein Führer« zu antworten und drückten eine glühende Zigarette auf seinem Augenlid aus.
Die »Kameradschaft Schönebeck« und der JN-Landesverband distanzierten sich kurz nach dem rassistischen Gewaltexzess von den Tätern. Privatfotos aus dem Jahr 2012, die L. im T-Shirt der Kameradschaft zeigen, sprechen jedoch dafür, dass der »Schläger von Pömmelte« bis heute fester Bestandteil der örtlichen Szene ist.
Für die Tat wurde Francesco L. zu drei Jahren und sechs Monaten verurteilt, machte jedoch nach seiner frühzeitigen Haftentlassung 2008 weiter wie bisher. Mit Nazis aus der Region beteiligte er sich an Aufmärschen und rassistischen Überfällen. So griffen er und andere Rechte am 1. Januar 2011 mit den Worten »Du bist kein Deutscher!« den Inhaber eines Schönebecker Dönerimbisses und dessen Gäste mit Schlagstöcken und Stuhlbeinen an. L. erhielt eine Jugendstrafe von einem Jahr und sechs Monaten auf Bewährung.
Wegen eines Angriffs auf zwei alternative Jugendliche am 3. März 2012, soll er eine neunmonatige Haftstrafe verbüßen. Offenbar um L. kurz vor dessen Haftantritt zu verabschieden, traf man sich in Bernburg zum Feiern. Das brutale Ende des Besäufnisses musste A. Erkut mit lebensgefährlichen Verletzungen bezahlen, die wahrscheinlich bleibende Schäden hinterlassen werden.
Nun sind auch dessen Familienmitglieder Ziel rassistischer Bedrohungen. Zwei Wochen nach dem Angriff in Bernburg wurde sein Neffe mit Softair-Waffen beschossen, als er sein Restaurant in Calbe schließen wollte. Seinem Vater sprengte man am selben Wochenende den Briefkasten. Eine Woche darauf sprühten Unbekannte Hakenkreuze und »Neger«-Parolen an die Garage seiner Schwägerin. Einen Zusammenhang zwischen den neun Verdächtigen des Bernburg-Angriffs, deren Zugehörigkeit zur Schönebecker Kameradschaftsszene und den Einschüchterungsversuchen gegen die Familie des Imbissbesitzers scheint die Polizei nicht zu sehen.
Als Antwort auf die anhaltenden rechten Übergriffe organisieren antifaschistische Gruppen aus der Region für den 2. November eine Demo im sachsen-anhaltinischen Burg, das ebenfalls ein Zentrum rechter Aktivitäten darstellt.
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