Prozess um einen ausgeplünderten DDR-Betrieb
Berliner Wärmeanlagenbau war auch nach 1989 konkurrenzfähig / Firma wurde bewusst in Konkurs getrieben Kriminalität
Von Wolfgang Rex
Der Bundestag wertete den gescheiter ten Verkauf des Berliner Wärmeanlagenbau als einen der größten Schadensfälle der Treuhand. Heute beginnt am Berliner Kammergericht die zweite Verhandlungssene gegen drei von mehreren der Tat Verdächtigten.
Angeklagt sind der ehemalige Geschäftsführer von Wärmanlagen, Heinz L, sowie zwei Rechtsanwälte. Ihnen wird vorgeworfen, beim systematischen Ausplündern der Firma Wärmeanlagenbau mitgeholfen zu haben. Der Hauptschuldige, Michael Rottmann, ist flüchtig. Gegen Rottmann sollte eigentlich in einem zweiten Prozess verhandelt wer den. Merkwürdige Langsamkeit, meint die Interessenvertretung ehemaliger Wärmeanlagenbauer. Die um ihre Arbeit geprellten Leute vermuten gar, die Berliner Justiz verschleppe mutwillig das Verfahren gegen Rottmann. Er könnte womöglich, falls gefasst, vor Gereicht unwillkommene Fakten über die Treuhandar beit erzählen. Das schrieb der «Verein ehemaliger Wärmeanlagenbauer» an den Treuhandnachfolger BvS.
Das Unternehmen Wärmeanlagenbau hieß zu DDR-Zeiten «Deutsch-Sowjetische Freundschaft». Es projektierte und baute Kraftwerke in der DDR und im Ausland, hauptsächlich in der Sowjetunion. Am 1. Juli 1990 wurde der Betrieb in eine GmbH umgewandelt, das Stammkapital auf vier Millionen festgesetzt. Eine verhängnisvolle Summe, wie sich in den nächsten Monaten herausstellte. Am 27 Februar 1991 verkaufte die Treuhand den Berliner Wärmeanlagenbau für ganze zwei Millionen Mark an die Schweizer Chematec AG. Ein kleiner Schweizer Betrieb mit gerade mal 23 Leuten schluckte die Berliner Fir ma, die am Kauftag noch 1230 von einstmals 1850 Mitarbeitern beschäftigte. Der Treuhand hatten die Schweizer mit Erfolg ein Märchen von der großen Firma mit 300 Beschäftigten und mehreren Hotelund Gewerbebetrieben vorgespielt. Angeblich sollen die Verantwortlichen der Treuhand dieses Märchen ungeprüft geglaubt haben.
Die Schweizer übernahmen zwar so genannte Altschulden von Wärmeanlagenbau in Höhe von 31 Millionen Mark. Sie erbten aber auch die dem Betrieb gehörenden Immobilien im Wert von 136,4 Millionen DM. Außerdem konnte der Wärmeanlagenbau auch noch rund 60 Millionen Mark aus bereits abgearbeiteten Aufträgen fordern. Auch Fördergelder flössen in die Schweiz. Am Kauftag lagen genügend Aufträge vor, um auf längere Sicht produzieren zu können.
Nach dem Kauf reagierte eine Seilschaft aus dem Schweizer Betrieb sowie aus Mitarbeitern von Wärmeanlagenbau und der Treuhand in Eile. Der aus Westdeutschland zur Schweizer Firma gestoßene Michael Rottmann zerschlug gemeinsam mit Heinz L., dem Geschäftsführer beim Wärmeanlagenbau, und weiteren Helfern das Unternehmen. Aus einem Betrieb entstand ein verschachteltes Unternehmen mit 17 Firmen, von denen einige nur einen Briefkasten in der Schweiz oder in Liechtenstein hatten. Die dem Wärmeanlagenbau gehörenden Häuser wurden verkauft, die Altaufträge abgewickelt. Schon am 21. Juni 1993 meldete der zur «PCE-Gruppe» gewandelte Wärmeanlagenbau Konkurs an. Die letzten 205 Beschäftigten verloren ihren Arbeitsplatz. Von der Bundesregierung wird der von den Privatisierern angerichtete Gesamtschaden mit 150 bis 250 Millionen Mark angegeben.
Seit 1993 bemüht sich der einstige Betriebsrat von Wärmeanlagenbau, wenigstens Rentenansprüche und Abfindungen für Mitarbeiter durchzusetzen. Es gibt ja einen Konkursverwalter. Doch der weigert sich, irgendwelche Gelder auszuzahlen. Eigenartige Begründung: Es könnten noch Gelder aus der Konkursmasse in die Kassen fließen. Der Treuhandnachfolger BvS hat im Gespräch mit dem «Verein ehemaliger Wärmeanlagenbauer» zwar eine gewisse Fürsorgepflicht anerkannt. Die wird aber vom Ausgang des Prozesses gegen Michael Rottmann abhängig gemacht. Da dreht sich dann das Verfahren im Kreise. Dem flüchtigen Rottmann kann man nicht einmal eine Anklageschrift zustellen, weil naturgemäß dem Gericht die Adresse nicht bekannt ist. Ohne Rottmann kein Prozess, ohne Prozess keine Abfindungen für die Wärmeanlagenbauer. Einklagbar sind die sozialen Ansprüche nicht. Die Kohl-Regierung hat die Treuhand pauschal von dem Vorwurf «Fahrlässigkeit» beim Verkauf von DDR-Eigentum frei gesprochen.
Der andere Prozess gegen den ehemaligen Geschäftsführer Heinz L. hat wenigstens schon einmal begonnen. Im Sommer vorigen Jahres. Obwohl noch Termine angesetzt waren, versickerte das Unternehmen. Der heutige zweite Anlauf vor dem Berliner Kammergericht steht unter Zeitdruck. Der Wärmeanlagenbau wurde im Februar 1991 an die Schweizer Chematex verkauft. Schon im Februar nächsten Jahres könnten die Angeklagten die zehnjährige Verjährungsfrist geltend machen. Dann würde vermutlich auch der flüchtige Rottmann unbesorgt in sein Heimatland Bundesrepublik Deutschland zurückkehren. Für mögliche Hintermänner von der Treuhand wäre die Verjährungsfrist ebenfalls ein Grund zum Durchatmen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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