Afrikas erster Weltkrieg

  • Martin Ling
  • Lesedauer: 3 Min.
Mit Provinz-, Parlaments- und Präsidentschaftswahlen soll der Friedensprozess in der Demokratischen Republik Kongo dieses Jahr in eine neue Etappe geleitet werden. Die UNO-Mission (MONUC) hält die Wahlen für die schwierigsten, die es auf der Welt je gegeben hat. Der Krieg in der Demokratischen Republik Kongo ist formell seit Ende 2002 beendet, das Sterben der Bevölkerung aber geht weiter. Seit Kriegsbeginn 1998 sind nach UNO-Angaben rund 3,9 Millionen Kongolesen ums Leben gekommen. Täglich sterben noch immer rund 1200 Menschen an den Folgen von Bürgerkrieg, Hunger und Krankheiten. »Das ist so, als ob Kongo alle sechs Monate Opfer eines Tsunami wird«, so UNO-Hilfskoordinator Jan Egeland. Die Sterblichkeitsrate ist trotz des Waffenstillstands, der abgesehen von den nach wie vor umkämpften Ostprovinzen in der Kivu-Region leidlich eingehalten wird, um 67 Prozent höher als vor dem Konflikt, zieht der UNDP-Bericht 2005 ein ernüchterndes Fazit des Krieges. Eines Krieges, den Ex-US-Außenministerin Madeleine Albright als »Afrikas ersten Weltkrieg« bezeichnete, weil ein halbes Dutzend Armeen verwickelt waren und unzählige Milizen. Weltkrieg auch, weil viele internationale Konzerne, auch die Bayer-Tochter H.C. Starck, Kriegsprofiteure waren. Der Handel Waffen gegen Rohstoffe floriert mit internationaler Beteiligung nach wie vor. Rohstoffe wie Gold, Kupfer, Diamanten und Tantalerze wie Coltan, aus dem Kondensatoren für Handys und andere Elektronikprodukte hergestellt werden. Aus dem Export von Coltan über Ruanda und Uganda finanzierten sich während des Krieges alle lokalen Konfliktparteien. Uganda und Ruanda standen auf der Seite unterschiedlicher Rebellengruppen in Ostkongo, Angola, Namibia und Simbabwe unterstützten mit Truppen die Regierung von Kabila, bis zum Januar 2001 Laurent-Desiré und nach dessen Ermordung seinen Sohn Joseph. Joseph Kabila ist immer noch Regierungschef, doch seit dem 17. Juli 2003 steht er einer Allparteienregierung vor, in der die bisherigen einheimischen Kriegsparteien den Ton angeben, auch wenn Vertreter der Zivilgesellschaft im Kabinett vertreten sind. Dem Staatspräsidenten stehen vier Vizepräsidenten zur Seite, darunter Kabilas Parteifreund Abdoulaye Yerodia Ndombasi, Jean-Piere Bemba, Chef der von Uganda unterstützten Kongolesischen Befreiungsbewegung MLC, und Azarias Ruberwa von der Kongolesischen Sammlung für Demokratie RCD, die von Ruanda gefördert wird. Der Vertreter der zivilen Parteien, Arthur Zahidi Ngoma, gilt laut Umfragen als einer der unbeliebtesten Politiker des Landes. Die Amtszeit der Übergangsregierung endet laut Friedensabkommen am 30. Juni 2006. Voraussetzung: Wahlen. Heute soll die Wählerregistrierung in dem Land von der sechseinhalbfachen Größe Deutschlands abgeschlossen werden. Gewählt werden soll am 29. April und am 2. Juni. Doch es gibt noch viele Unwägbarkeiten. Die Kandidatur von Oppositionsführer Etienne Tshisekedi, der in Umfragen hinter Kabila an zweiter Stelle liegt, wird bisher zurückgewiesen, weil er lange die Wahlvorbereitung boykottierte. Seine Anhänger drohen mit Massenprotesten. Noch gewichtiger ist, dass von den 300 000 Bürgerkriegskämpfern nur wenige ihre Waffen abgegeben haben. Die Karten im Machtpoker werden neu gemischt. Die Mission für die MONUC wird nicht einfacher.
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