- Ratgeber
- Erbrecht
Wenn Erbengemeinschaften um Haus und Grundstück streiten
Ernst G., 06502 Thale
Unsere Erbengemeinschaft hat ein Wohngrundstück geerbt. Wir wollen es verkaufen, aber weil wir die Adressen vieler Nacherben nicht kennen, ist das nicht möglich. Auch für eine Zwangsversteigerung brauchen wir deren Anschriften. Was können wir tun?
Hannelore K., 03149 Forst
Zur Erbengemeinschaft gehören alle gesetzlichen und testamentarischen Erben. Wenn einzelne Miterben ihre Erbenstellung nicht nachweisen, können sie ihr Erbrecht in vielen Fällen, und zwar gerade in Grundstücksangelegenheiten, nicht ausüben. Das bedeutet jedoch nicht, dass sie aus der Erbengemeinschaft ausscheiden und ihre Erbanteile etwa den anderen Miterben zufallen.
Zwar kann ein Miterbe nicht gerichtlich zur Beantragung eines Erbscheines veranlasst werden. Wenn andere Erben vorhanden sind, kann jedoch jeder Erbe beantragen, dass ein gemeinschaftlicher Erbschein erteilt wird, in dem die Erben und ihre Erbteile anzugeben sind. Wenn der Antrag nicht von allen Erben gestellt wird, hat er die Angabe zu enthalten, dass die übrigen Erben die Erbschaft angenommen haben. Der oder die Antragsteller müssen die öffentlichen Urkunden beibringen, aus denen sich die Erbenstellung sämtlicher Miterben ergibt (§ 2357 BGB i. Verb. m. § 2356, § 2354 und § 2355), denn der Antrag auf Erlass eines gemeinschaftlichen Erbscheins muss nach § 2357 Abs. 2 BGB sämtliche Erben und deren Erbteile enthalten. Antragsberechtigt sind auch die Erbeserben.
Wenn ein solcher Nachweis nicht hinsichtlich aller in Frage kommenden Erben möglich ist, kann ein Teilerbschein beantragt und erteilt werden. Auf der Grundlage eines Teilerbscheins kann ein Miterbenanteil verschenkt werden. Und auch ein Verkauf ist möglich, jedoch nur an Mitglieder der Erbengemeinschaft. Es besteht nämlich ein Vorkaufsrecht der Miterben, das nicht durch Zeitablauf entfallen kann, weil die Miterben voraussetzungsgemäß nicht bekannt sind und ihnen deshalb der Anteilsverkauf nicht mitgeteilt werden kann. Das aber ist Voraussetzung für die befristete Möglichkeit der Ausübung des Vorkaufsrechts.
Die Aufhebung einer Erbengemeinschaft, die Eigentümerin eines Grundstücks ist, kann durch eine Teilungsversteigerung erfolgen. Diese kann von jedem Mitglied der Erbengemeinschaft beantragt und damit auch gegen den Willen von Miterben durchgesetzt werden. Allerdings müssen diese Miterben bekannt sein, weil sie an dem Verfahren zu beteiligen sind.
Die Beantragung eines Teilerbscheins ist z. B. dann sinnvoll, wenn die anderen Miterben nicht feststellbar sind oder deren Erbschaftsannahme nicht nachgewiesen werden kann. Wenn hinsichtlich des Erbteils, dessen Träger nicht feststellbar sind, eine Teilnachlasspflegschaft angeordnet wird, kann dadurch eine Erbauseinandersetzung ermöglicht werden. Wenn es um die Verwertung eines in den Nachlass fallenden Grundstücks geht, kann der Nachlasspfleger für die unbekannten Erben an dem Verkauf des Grundstücks mitwirken und den auf die unbekannten Erben entfallenden Kaufpreisanteil zunächst sichern.
Soweit die Erbschaftsverhältnisse unklar sind, können die Miterben versuchen, über die Standesämter die Personenstandsverhältnisse zu ermitteln und dann über die Einwohnermeldeämter die Adressen gefundener Erben. Das ist ein aufwändiges Verfahren.
Es gibt auch spezialisierte Erbensucherfirmen, die sich damit beschäftigen, aber als Honorar zumeist einen erheblichen Prozentsatz des Erbes verlangen, allerdings als Erfolgshonorar. Man wird sich also mit den Bedingungen eines angebotenen diesbezüglichen Vertrages sorgfältig auseinander setzen müssen.
Prof. Dr. DIETRICH MASKOW,
Rechtsanwalt, Berlin
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